Moskau - Vier Bombenanschläge und ein im Blut ertrinkendes Geiseldrama binnen einer Woche, dazu die Anschläge von früher. Fast alle ernst zu nehmen Kritiker in Russland konzentrieren sich auf die Arbeit der Geheimdienste. "Wir sind mit Hilflosigkeit und Kontrollverlust seitens der Bundespolitik und der Geheimdienste konfrontiert", sagt der freie Duma-Abgeordnete Wladimir Ryschkow: "Sie können weder einen Terroranschlag verhindern noch die Folgen beseitigen. Jährlich erklärt der Präsident die Sicherheit zu seinen Prioritäten, aber mit jedem Jahr wird Russland unsicherer."

Mehrere Duma-Abgeordnete - selbst aus der Kremlpartei "Einiges Russland" - fordern einen unabhängigen Untersuchungsausschuss. Ryschkow verlangt zugleich den Rücktritt des FSB-Chefs Nikolaj Patruschew.

Macht wie einst der KGB

Präsident Wladimir Putin, der selbst aus dem Geheimdienst kommt, hat erst im Vorjahr dem Inlandsgeheimdienst FSB fast die ganze Machtfülle des einstigen sowjetischen KGB - mit Ausnahme der Auslandsspionage - zurückgegeben: Staatsschutz, Inlandsspionage und Grenzschutz. Die Macht ist freilich größer: In der regierenden Elite stieg der Anteil der Militärs und Geheimdienstler von einem guten Zehntel auf ein Viertel aller Posten, eruierte die Soziologin Olga Kryschtanowskaja. Antidemokratisch sei der Geist, die militaristische und intransparente Lenkungsmethode beliebt.

Es gilt als offenes Geheimnis, dass unter den unterschiedlichen Geheimdienstgruppen - sprich Militärgeheimdienst GRU und FSB - große Rivalität herrscht, was den Informationsfluss behindert. Gerade in Tschetschenien, wo unterschiedlichste Gruppen und Truppen agieren, soll die Kooperation sträfliche Mängel aufweisen.

"Der Geheimdienst bedient die Sicherheit der Staatsmacht, aber nicht die des Volkes", sagt die Politologin Lilia Schewzowa vom Moskauer Carnegie Center. Und die Publizistin Julia Latynina sekundiert: "Sie kommen mit ihrer Aufgabe nicht zurecht, denn sie informieren nicht über das, was im Lager der Feinde vor sich geht, sondern beschäftigen sich mit Yukos und der freien Presse." (sed,