Bild nicht mehr verfügbar.

Überlebende Kinder. Der Durst muss unerträglich gewesen sein.

Foto: APA/EPA/STRINGER

Bild nicht mehr verfügbar.

Männer bringen Kinder in Sicherheit.

Foto: APA/EPA/SERGEI CHIRIKOV
Beslan - Vor den Augen hunderter erschöpfter Frauen und Kinder erschossen die Geiselnehmer in der Schule von Beslan einen ihrer Gefangenen. "Wenn ein Kind nur einen Ton von sich gibt, töten wir den nächsten", warnten die Kidnapper. Drei Tage mussten die Geiseln in der Hölle des Schulgebäudes ausharren, das die Extremisten mit Sprengsätzen vermint hatten. Erst mit der Erstürmung durch russische Spezialkräfte fand das Geiseldrama in der russischen Republik Nordossetien ein blutiges Ende: 250 Menschen wurden während des zehnstündigen Einsatzes am Freitag getötet.

Alla Gadiejewa begleitete ihren Sohn Saur am ersten Schultag nach den Sommerferien in seine Klasse, als protschetschenische Rebellen am Mittwoch das Schulgelände stürmten und wild in die Luft schossen. Kinder, Eltern und Lehrer wurden zusammengetrieben und mussten sich auf den Boden legen. Als Erstes hätten die Geiselnehmer alle Mobiltelefone eingesammelt, sagt Alla. Sollte jemand ein Handy versteckt haben, würden wahllos 20 Menschen getötet, hätten die Extremisten gedroht.

Etwas Wasser

Am Mittwoch verteilten die Geiselnehmer noch etwas Wasser, zu essen gab es nichts. Später habe es trotz der fast unerträglichen Hitze in dem Gebäude nicht einmal mehr etwas zu trinken gegeben, erzählt Alla. Als Kinder vor Hunger, Durst und Müdigkeit in Ohnmacht gefallen seien, hätten die Extremisten lediglich gelacht. "Sie waren so kaltblütig", beklagt die Mutter fassungslos. Die Kinder hätten schließlich ihren eigenen Urin getrunken, um überhaupt etwas Flüssigkeit zu bekommen.

"Das sind keine Menschen"

Ihr sieben Jahre alter Sohn Saur sei jedes Mal vor Schreck zusammengezuckt, wenn ihn jemand angefasst habe, erzählt Alla weiter. An Schlaf sei nicht zu denken gewesen, die einzige Erholung habe sich der Körper mit immer wiederkehrender Ohnmacht geholt. "Wie kann man das jemals vergessen?", fragt die 24-Jährige. "Das sind keine Menschen. Ich kann nicht verstehen, was sie uns angetan haben".

Am Freitag, dem dritten Tag des Geiseldramas, wurde das Schulgelände von mehreren Explosionen erschüttert. Die Kidnapper hätten das Gebäude mit zahleichen Sprengsätzen vermint, sagt Alla. Ein Experte sagte dem Fernsehsender NTW, die Geiselnehmer hätten Sprengstoffgürtel getragen, Bomben an Basketballkörben in der Turnhalle befestigt und andere im Gebäude verteilt. Was die Detonationen auslöste, war zunächst aber unklar. Die Extremisten hätten die ersten Sprengsätze möglicherweise aus Versehen gezündet, berichteten Behörden.

Nicht geplant

Klar ist bisher lediglich, dass zu diesem Zeitpunkt Rettungskräfte, offenbar mit Zustimmung der Rebellen, die Leichen mehrerer Geiseln von dem Gelände abholten. Der anschließende Sturmangriff auf die Schule sei nicht geplant gewesen, betonte der russische Präsident Wladimir Putin am Samstag.

Nach mehreren Explosionen in der Schule und auf dem Hof sei Gewehrfeuer zu hören gewesen, berichtet Alla. Die Rebellen drohten damit, zu schießen, bis sie keine Munition mehr hätten. "Und wenn unsere Gewehre aufhören, jagen wir das Gebäude in die Luft", habe einer der Extremisten gerufen.

Geiseln in den Keller getrieben

Anschließend trieben sie die Geiseln in den Keller der Schule, wo einigen die Flucht gelang: Sie schlugen Fensterscheiben ein, kletterten nach draußen und rannten um ihr Leben. Einige schubsten Kinder in die Freiheit, auch Alla trug einen fremden Jungen nach draußen. Saur hat sie seitdem nicht mehr gesehen. Er sei aber am Leben, hätten Behörden erklärt.

Mehr als 250 Menschen hat der Rettungseinsatz der russischen Eliteeinheit das Leben gekostet. Rettungskräfte befürchteten, die Zahl der Toten könne noch steigen. Viele Leichen wurden unter den Trümmern des Dachs der Turnhalle gefunden, das während des Sturmangriffs einstürzte, wie Interfax und ITAR-Tass berichteten. Dutzende Leichen seien noch nicht aus dem Schulgebäude geborgen, sagte Fatima Chabalowa, eine Sprecherin des Parlaments in Nordossetien, am Samstagvormittag der Nachrichtenagentur AP. Der Großteil der Todesopfer seien Kinder. (Von Mike Eckel, AP/APA)