In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts setzten auf den Spuren Darwins eine Vielzahl empirischer Studien zu physischer Attraktivität ein. Ausgangspunkt war das Konzept einer sexuellen Selektion, nach dem ästhetische Präferenzen das (unbewusste) Partnerwahlverfahren bestimmen. Die Vorbehalte der akademischen Forschung gegenüber den "unseriösen" Themen wich langsam einer größeren Akzeptanz gegenüber neodarwinistischen Erklärungsmodellen. Nichtsdestotrotz bleiben die formulierten Thesen heftig umstritten.

Ornamente als Fitnesszeichen

Zu den einflussreichsten Thesen gehört die von Amotz Zahavis formulierte Handicap-These, nach der die Entwicklung sexueller Ornamente ein Zeichen herausragender Fitness ist. Menschliche Körper-Ornamente wie das Haupthaar als Dekoration weisen darauf hin, dass sein Träger über hinreichend überschüssige Ressourcen an Zeit, Geschick, Geduld und Imagination verfügt, um sie regelmäßig auf ein unpraktisches Ornament zu verwenden. Ähnlich die Interpretation des Fettgewebes rund um die weiblichen Milchdrüsen: Eine Frau, die trotz der Vergeudung von Energie auf die Herausbildung ihres Busens die Pubertät überstanden hat, beweist umso größere Fitness, je größer ihre Ornamente, sprich ihre Brüste sind. Und wird eben deshalb "unbewusst" von einem Mann gewählt.

Parasiten als Attraktivitätsmerkmale

Ausschlag zur Parasitenresistenz-These gab eine Studie von William D. Hamilton und Marlene Zuk. Die beiden Forscher fanden heraus, dass, je höher die Parasitenbelastung eines Organismus, desto extremer auch die Ornamente. Ornamente dienen also dazu, zu signalisieren, dass ein Organismus alle Widrigkeiten seiner Entwicklung meistert. Am Körper des Menschen wird die Korrelation von Schönheit und Parasitenresistenz auf zwei Attraktivitätsmerkmale bezogen: auf die Reinheit der Haut und die Symmetrie von Gesicht und Körperteilen. Akne etwa ist statistisch mit einer höheren Anfälligkeit für weitere organische Erkrankungen verbunden, Asymmetrie im Gesicht mit verstärkter Anfälligkeit für Entwicklungsstörungen.

0,7 als Wunderformel

Für die Fitness-Indikator-Theorie ist weibliche Schönheit nichts anderes als eine äußere Anzeige des reproduktiven Potenzials einer Frau. So fand Devendra Singh heraus, dass Männer eine Taille-Hüfte-Proportion von 0,7 als besonders attraktiv bewerten, ein Wert den beinahe alle Supermodels aufweisen (60-90). Die Erklärung: Fettpolster an Hüfte und Po sind direkte Indikatoren weiblicher Reproduktionsfähigkeit.

Geschlechtsreife als Anziehung

Jugendlichkeit ist nach evolutionstheoretischer Diagnose eine weitere transkulturelle ästhetische Präferenz. Die Geschlechtspartnerin wird in dem Moment ausgesucht, in dem sie ihr reproduktives Potenzial monopolisieren kann, sprich bei beginnender Geschlechtsreife. Anders als viele archaische Kulturen ist die heutige Zivilisation zwar an diesem Punkt weniger extrem auf Jugendlichkeit geeicht, das so genannte Kindchen-Schema, sprich Gesichter mit hohen oberen und kurzen unteren Partien, zierlichem Kiefer, vollem Mund usw., scheinen allerdings allgemein bevorzugt zu werden. (hil, DER STANDARD, ALBUM, Printausgabe vom 4./5.9.2004)