Jemandem etwas über David Beckham erzählen zu wollen gleicht dem Versuch, Wasser in die Donau zu leeren, um ein Hochwasser hervorzurufen. Denn David Robert Joseph Beckham ist eine durch und durch öffentliche Figur, sozusagen ein offenes Buch, Gegenstand für alle, denen daran gelegen ist, sich den Mund zu zerreißen. Kurz: ein von allen Seiten besichtigbares Stück Zeitgeschichte, ein uninteressanter Schmock, wären da nicht seine regelmäßigen downs, nicht nur seine patschert vergebenen Elfmeter, die aus der medial ins Groteske verzerrten Persönlichkeit eine Person machen. Einen Menschen mit Herkunft und Geschichte.

David Beckham kommt am 2. Mai 1975 im Londoner Arbeitervorort Chingford zur Welt und wächst somit auf in einer Zeit, in der die britannischen Konservativen zur neoliberalen Revolution rufen. Davids Vater, Ted, ist Küchenmonteur und hat als ungestillte Sehnsucht das Profikicken, zu dem es bei ihm nicht gereicht hat. Im Sohn rafft er den einschlägigen Ehrgeiz nochmals zusammen, schickt ihn 1986 zu einem Talentewettbewerb, David tut sich als Bester hervor und gewinnt ein Training in Barcelona bei Coach Terry Venables. Ein Versuch, in den FC Tottenham aufgenommen zu werden, scheitert wenig später am Trainer: Terry Venables. Also heuert er 1991 in Manchester bei United an, kickt mit Butt, Scholes, Gillespie und den Brüdern Neville im Nachwuchs, 1992 debütiert er im Ligapokal in der Ersten, 1995 in der Premier League, wo er sich recht bald den Ruf eines Flankengottes erwirbt.

Dieser Ruf war allerdings schnell nur noch zweitrangig. Spätestens seit seiner Hochzeit mit "Posh Spice" Victoria rückte Beckham von den Sport- auf die Klatschseiten der Zeitungen. Dem Fußballer brachte das Werbeverträge, die ihm zum Beispiel erlaubten, Sohn Brooklyn einen Mini-Ferrari für rund 25.000 Euro aufs Nachtkasterl zu legen.

Victoria wurde - so jedenfalls sah es aus - auch die Stilberaterin des Fußballers, der nun begann, mit seinem Haarschnitt Standards zu setzen. "Metrosexuell" nannten manche Medien den häufigen Frisurenwechsel, der offenkundig von eben jenen Marketingexperten in Szene gesetzt wurde, die seinerzeit auch die Spice Girls von der Retorte auf die Bühne schickten.

Im Vorjahr wechselte Beckham im Unfrieden von Manchester zu Real Madrid, wo ihn weniger das präzise Flankenschleudern als seine Rolle als Womenizer in die Schlagzeilen brachte. Gattin Victoria litt. Angeblich. Aber das gehört schlicht zur Rolle, welche Londons Times so beschrieb: "David und Victoria Beckham haben den verwaisten Thron bestiegen, den Lady Di hinterlassen hat." Mit Fußball mag das, am Rande, durchaus noch etwas zu tun haben. Schwer aber zu sagen was. (Wolfgang Weisgram - DER STANDARD PRINTAUSGABE 4.9. 2004)