Wien - Immer mehr Autoren und Autorinnen wehren sich dezidiert dagegen, in den von Publizist Günther Nenning zum kommenden Republik-Jubiläum 2005 vorbereiteten literarischen "Austrokoffer" gepackt zu werden. Gegenüber ORF.at nannte der Dichter Gerhard Roth die Vorgangsweise von Herausgeber und Verlag (Ueberreuter) "unmöglich": "Kritische Autoren verbessern, ohne gefragt zu werden, das Image Österreichs im Ausland", so Roth, "Es ist ein trojanisches Pferd, mit dem man ins liberale Europa hineinreiten will." Laut ORF.at haben nach Marlene Streeruwitz, Elfriede Jelinek, Daniel Kehlmann, Norbert Gstrein u.a. auch Evelyn Schlag und Elfriede Gerstl ihre Absage erklärt.

"Ich habe einen befreundeten Rechtsanwalt gefragt, ob 'Austrokoffer' als Schimpfwort in Wien klagbar ist. Es ist", soll der Literat, Architekt und Architekturhistoriker Friedrich Achleitner in seiner Absage an Nenning geschrieben haben. "Das Getue von der kulturellen Großmacht scheint mir ein ausgewiesenes Zwergengehabe zu sein, ein unvergorener Rest aus dem Ständestaat, als man mit einer barocken Alpenrepublik nach einer neuen Identität suchte. Noch dazu unter so schulterschlüssiger politischer Patronanz." Und: "Jedenfalls möchte ich Dir jetzt schon erklären, dass ich bei diesem Projekt nicht mitmachen werde. Und wenn jemand zu mir 'du Austrokoffer' sagt, klage ich ihn."

"Im äußersten Notfall findet dieses Projekt nicht statt"

"Das kleine Österreich ist eine kulturelle Großmacht, der Austrokoffer enthält 18 Bände, 5000 Seiten, 130 Autoren", heißt es auf der Homepage des Projekts, das "nach Ideen und unter Mitwirkung von: Erik Adam, David Axmann, Evi Födermair, Hans Haider, Eva Lämmerhirt, Rainer Lendl, Franz Morak, Leopold Nenning, Fritz Panzer, Georg Pichler, Christiane Poppenreiter, Wolfgang Schüssel, Maria Schuster, Helmut Wohnout" entstanden sein soll. In der Rubrik "Autorenporträts" finden sich derzeit nur folgenden Angaben: "Autorenportäts (sic!) von Günther Nenning (c) Kronen Zeitung - Die endgültige Liste der AutorenInnen ist in Arbeit und wird nach Abschluß der Rechteverhandlungen unverzüglich veröffentlicht!" Die hier veröffentlichten Kurzbiografien der AutorInnen, die ebenfalls für Proteste gesorgt hatten, sind derzeit offline.

Ueberreuter-Geschäftsführer Fritz Panzer gibt gegenüber ORF.at an, dass etwa ein Drittel der angeschriebenen Autoren bisher dem Textabdruck zugestimmt habe und wehrt sich gegen die "Unterstellung" einer parteipolitischen Einflussnahme: "Das würde unser Verlag einfach nicht machen." Und: Der Geschäftsführer der IG Autorinnen Autoren Gerhard Ruiss versuche,"jene kritischen Autoren herauszubringen, die ich gerne drinhätte." Es sei schade, "dass eine Interessengemeinschaft zum Boykott eines Projekts aufruft, das der Literatur dienen soll." Er glaube, dass sich der geplante Erscheinungstermin im Jänner 2005 ausgehe, doch "im äußersten Notfall findet dieses Projekt nicht statt." Den Schuldigen sehe er dann in der IG Autorinnen Autoren.

Stellungnahme der IG Autorinnen Autoren

Dagegen verwehrt sich wiederum Ruiss in einer Aussendung: "Die IG Autorinnen Autoren hat nachweislich nie zu einem 'Boykott' aufgerufen, sie hat in einem neutral gehaltenen Schreiben bei Kolleginnen und Kollegen angefragt, ob ihnen ihre Mitwirkung an diesem Projekt bekannt sei. Zur vollkommenen Überraschung der IG Autorinnen Autoren war den meisten ihre Teilnahme am 'Austrokoffer' unbekannt. Es wäre aber doch das mindeste bei einem Projekt, das nicht scheitern will, zuvor mit denjenigen in Kontakt zu treten, die bei diesem Projekt mitmachen sollen."(APA)