Umweltstadträtin Uli Sima das Programm "Schule am Bauernhof" vor und begrüßte die tierischen Neuzugänge

Pressefoto Votava

Wien – Ein Schlüsselerlebnis für Catarina. Wochenlang war sie oftmals vor ihrem Lieblingsbilderbuch gesessen und hatte sich gewundert, warum Papa und Mama ausgerechnet bei einer Seite immer in begeistertes "Määääh!"-Rufen verfielen. Wo sie doch keineswegs auf das weiße Tier, sondern nur auf die Apferln im Bild zeigte. Von Apferln hatte sie noch nie ein "Määääh!" gehört. Und überhaupt waren die "Wau-Waus" auf der anderen Seite viel spannender.

Da war nun dieser Zaun. Davor Catarina. Dahinter so ein weißes Tier, das sie bisher eher als Unterart der ausgesprochen wandelbaren "Muhs" eingeschätzt hatte. Das Kind streckt den Finger aus. Das Tier haucht seinen feucht-warmen Atem drauf. Und plötzlich: "Määääh!" – "Hah!" antwortet Catarina. "Määääh", entgegnet das wollene Vieh.

Das Schaf nimmt die Begegnung jedenfalls weitaus gelassener hin. Nicht nur, weil es der Natur des Tieres entspricht. Sondern vor allem, weil Catarina nur ein weiteres Gesicht in der Masse ist.

Seit einem Jahr gibt es ihn nun schon, den "Kinderbauernhof" auf dem Wiener Cobenzl. Insgesamt 52.000 Besucher sind bereits zum landwirtlichen Schauen und Streicheln auf die Wiener Höhenstraße gepilgert. Davon rund 36.500 Kinder.

"Vicky" und "Liesl"

"Die meisten sind natürlich über die Schulprogramme gekommen", erläutert Edith Gruber vom Landgut Wien. Schließlich hat diese Einrichtung eine nicht unwesentliche pädagogische Aufgabe – woher sonst sollte so ein richtiges Stadtkind auch wissen, dass die Ansicht "Milch kommt aus dem Packerl" doch etwas verkürzt ist. Dies aufzuklären ist nun die Aufgabe von "Vicky", die neue "Muh" im Kinderbauernhof, die am Donnerstag von Umweltstadträtin Ulli Sima (SP) ihrer Bestimmung übergeben wurde.

"Vicky" residiert nun im winterfesten und artgerechten Stall neben zwei weiteren Neulingen am Cobenzl: "Manta" und "Liesl", zwei Pferde, die sich auch eine großzügige Koppel mit "Vicky" teilen.

So soll das Angebot nach und nach ausgebaut werden. "Nächstes Jahr sollen die Enten und Gänse einen Teich bekommen", plant Forstdirektor Andreas Januskovecz.

Schule am Bauernhof

Im November startet die neue "Schule am Bauernhof": Dabei wird das Berufsbild des Bauern erläutert und "gemeinsam ein Anbauplan erarbeitet, das Thema Gentechnik angesprochen und die Unterschiede von biologischer und konventioneller Landwirtschaft angesprochen", erläutert Sima das Programm. Wo der Schwerpunkt liegt, braucht Herbert Veit, seines Zeichens Biobauer vom Cobenzl nicht extra betonen. Dazu gibt es noch "geführte Stallrundgänge", "Kekse backen" und eine "Lebkuchenwerkstatt". Also alles zum Anfassen.

"Viele Kinder sind zuerst einmal sehr vorsichtig und ängstlich", weiß Edith Gruber. Was man von Catarina allerdings nicht behaupten könnte. Bei den Ferkeln hält sie zwar erst ein wenig Respektabstand – solche "Nutsch-Nutsch" kennt sie nicht einmal aus ihrem Bilderbuch. Aber dann will sie unbedingt wissen, wie sich so ein Rüssel angreift. (Roman David-Freihsl; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 03.09.2004)