Wenn auf einem Produkt Comme des Garçons steht, darf man sich viel erwarten, aber auf keinen Fall etwas Durchschnittliches. Das von Rei Kawakubo Anfang der 80er-Jahre gegründete Label gilt zu Recht als eine der unkonventionellsten Modemarken der Welt. Die Japanerin schockierte mit ihrer ersten Show und ihrer Ästhetik der Kargheit 1981 in Paris die Modewelt: Die Models, in dunklen Kutten, ungeschminkt oder mit verrutschtem Make-up und zerzaustem Haar, stellten westliche Begriffe von Erotik und Schönheit infrage.

Seitdem hat sich die Marke Comme des Garçons immer wieder als - vermutlich ungewollter - Provokateur im Modebusiness bewiesen. Die neueste Irritationsstrategie Rei Kawakubos nennt sich Guerilla-Store: mit minimalem Budget eingerichtete, kleine Shops in dichten urbanen Zonen, die nur mittels Flyern und Mundpropaganda beworben werden und nach einem Jahr wieder schließen. Der erste Guerilla-Store eröffnete im Februar in Berlin, der zweite im März in Barcelona. Die Stores stehen auch für multidisziplinäre kulturelle Events zur Verfügung, so gastierte im vergangenen Mai im Barcelona-Shop das österreichische Designerduo Wendy & Jim mit einer Modeperformance.

Auch eine Reihe von Düften gehört seit den 90er-Jahren zur Comme-des-Garçons-Welt, die meisten von ihnen werden sehr selektiv - etwa in ausgewählten Modegeschäften - vertrieben. Der jüngste Neuzugang nennt sich "Comme des Garçons 2 Man", ein Herrenduft, der perfekt in die exzentrische und hochästhetische Welt der Marke passt. Ein flacher, sanft gerundeter Flakon aus bernsteinfarbenem Glas, der nicht steht, sondern nur quasi auf dem Rücken liegen kann, reduzierte Beschriftung, industrielle Verpackung in weißem Plastiksack samt Überkarton. Zutaten sind Weihrauch, Safranblüten und Muskatnuss, dazu Kreuzkümmel, Vetiverwurzel, Mahagoniholz und Leder. Neben zwei Eau-de-Toilette-Sprays sind ein After Shave Gel, ein Shower Gel & Shampoo und ein Deostick erhältlich.

Kreiert hat diesen Duft Mark Buxton vom Parfumhaus Symrise in Paris (siehe unten stehendes Interview). Der gebürtige Engländer kennt die Comme-des-Garçons-Welt schon länger, bis auf wenige Ausnahmen hat er alle Düfte des japanischen Labels gemixt, zudem u.a. "Only" von Givenchy, mehrere Chopard-Düfte, die "Pasha"-Düfte für Cartier sowie "Très Jourdan" von Charles Jourdan. Buxton arbeitet seit 25 Jahren als Parfümeur, seine Laufbahn begann beim deutschen Parfumhaus Haarmen & Reimer in Holzminden. Und zwar auf sehr ungewöhnliche Weise. Als Student nahm er gemeinsam mit einem Freund bei "Wetten, dass?. . . " teil und behauptete, alle Parfums erschnuppern zu können. Die Wette verlor Buxton zwar, aber Haarmann & Reimer fanden die Geschichte interessant und boten ihm eine Ausbildung an ihrer Schule an. Der erfolgreiche Parfümeur trägt übrigens selbst kaum Parfums, vor allem nicht bei der Arbeit. Zu seinen persönlichen Duftfavoriten zählt er Jil Sander Men Pure und Vetiver von Commes des Garçons, "weil", so lacht er, "das habe ich selbst gemacht".

der Standard:Wie geht man es an, für Comme des Garçons einen Duft zu kreieren, worin liegen die Unterschiede im Vergleich zu einem "normalen" Auftrag?

Mark Buxton: Es gibt bei Comme des Garçons kein klassisches Briefing. Im Normalfall bekommen wir ja ein dickes Dossier mit vielen Infos: für welchen Typ von Frau das Parfum gedacht ist, wie alt sie ist, ob es ein Tages- oder ein Abendduft werden soll etc. Bei Comme des Garçons ist das anders. Beim ersten Auftrag war überhaupt alles ganz geheim, da wussten wir nicht einmal, dass es ein Duft für Rei Kawakubo werden sollte. Beim zweiten Duft hieß die Themenstellung "Schwarz", beim dritten Duft hieß es: Stell dir eine Blumennote vor, die es nicht gibt. Oder eine Rose auf dem Mond, wie würde die riechen?

Eine recht abstrakte Herangehensweise.

Christian Astuguevieille, Consultant von Comme des Garçons, mit dem ich eng zusammenarbeite, sagt: Je abstrakter wir bleiben, desto mehr Freiheit lasse ich für deine Kreativität. Ich kann ihm alles zeigen, was mir einfällt, und kann auch monatelang an etwas herumbasteln, wenn ich davon überzeugt bin. Wir reden dann oft nicht in Düften, sondern formulieren in Farben, etwa "Mach das noch ein bisschen mehr blau."

Das klingt nach einem langwierigen Kreationsprozess.

Ja, wir haben in der Regel sehr viel Zeit. Am zweiten Damenduft für Comme des Garçons haben wir zwei Jahre gearbeitet, das ist wirklich sehr lange. Der Trend heutzutage ist, dass man nur vier bis acht Wochen für eine Parfumkreation Zeit hat, das ist schon ziemlich pervers. Aber auch nicht sehr verwunderlich, wenn man bedenkt, dass es im Vorjahr 270 Parfum-Lancierungen gab. Das hat sich zu einer industriellen Produktion entwickelt: Flasche, Verpackung und Name sind schon fertig, und du musst nur mehr den Duft machen, der da reinpasst.

Arbeiten alle Marken so?

Ja, mit wenigen Ausnahmen, wie eben Comme des Garçons, und ein paar anderen kleinen Marken wie Annick Goutal oder Serge Lutens. Die nehmen sich noch Zeit und suchen neue Ideen.

Kann ein ungewöhnlicher Duft überhaupt eine größere Klientel erreichen?

Ja und nein. Clarins brachte vor Jahren den Thierry-Mugler-Duft "Angel" heraus, von dem alle meinten, der würde sich nicht lange halten. Aber "Angel" eroberte Jahr für Jahr mehr Marktanteile und ist jetzt Nummer eins in Frankreich, und auch weltweit schaut es nicht schlecht aus. Man muss also einen Duft zuerst auf den Markt bringen und ihn dann permanent unterstützen. Muss ein ungewöhnlicher Duft unbedingt ungewöhnliche Zutaten haben? Es kommen immer wieder neue Chemikalien oder Naturingredienzen auf den Markt, es gibt aber auch strenge Normen der Ifra (International Fragrance Association, Anm. d. Red.) für den Einsatz von Zutaten. Jedes Parfumhaus hat zudem seine eigenen Regelungen, welche Zutaten verwendet werden dürfen und welche nicht. Da geht es um Themen wie Hautverträglichkeit, Bioabbaubarkeit und Ähnliches. Aber die Comme-des-Garçons-Düfte haben ja doch eher extravagante Zutaten? Beim ersten Comme-des-Garçons-Damenduft waren weniger die Zutaten ungewöhnlich, als dass sie total überzogen eingesetzt wurden. Zimt dominiert sehr stark, denn ich war vorher in Marokko und bin dort durch die Souks gelaufen. Und die Erinnerungen daran, die Geruchserlebnisse, die ich mir immer aufzeichne, wie sich ein Künstler seine Skizzen macht, habe ich dafür rausgeholt und 14 Elemente ausgewählt. Das war eine ganz rohe Zusammenstellung, von der Christian und ich rund 200 Varianten gemacht haben. Aber Rei Kawakubo wollte die erste Komposition haben, das Grobe. Das ist übrigens auch das einzige Parfum, das sie selbst trägt. Inwiefern unterscheiden sich natürliche und chemisch hergestellte Zutaten? Parfums mit echten Zutaten haften länger, etwa echter Amber, der ist sehr teuer und zum Beispiel in "Eau de Rochas" drinnen, darum haftet es auch so lange. Die Frage der Ingredienzen ist eben oft auch eine der Kosten. Echte Rose haftet länger und hat absolut mehr Strahlkraft als eine Rekonstruktion. Man kann es sich aber meist nicht leisten, viel davon einzusetzen. Wie finden Sie neue Duftzutaten? Ich habe meine Lieferanten, die ich anrufe, wenn ich etwas Besonderes oder Neues suche. Und rund 1600 potenzielle Zutaten stehen mir ohnehin immer zur Verfügung. Wie geht so eine Parfumkreation konkret vor sich? Ich schreibe die Rezepturen, meine Assistentin mischt das ab und ich rieche es. Die Assistentin arbeitet mit einer Riechorgel, in der stehen jene 200 Produkte, die ich am häufigsten benutze. Wenn ich dann zum Beispiel finde, das ist zu holzig, ändere ich die Rezeptur, und probiere es dann wieder. Ich vergleiche also, suche das Beste heraus und so arbeitet man dann weiter. Derzeit arbeite ich an 22 Projekten gleichzeitig, aber ich arbeite natürlich nicht alleine. Zur Evaluierung gibt es Frauen, die den Markt und seine Produkte kennen und an der Entwicklung mitarbeiten. Die sagen dann z.B. "das riecht zu würzig", und ich übersetze das in Ingredienzen und ändere die Rezeptur. Und so runden wir nach und nach das Ergebnis ab. Woran erkennen Sie, dass Sie auf der richtigen Spur sind? Wenn ich ein neues Produkt angehe, dann rieche ich das einmal an, und wenn ich dabei einen Ahaeffekt habe, dann ist es interessant, dann ist irgendetwas Neues dabei. Wenn ich es beim ersten Riechen nicht so toll finde, dann bastle ich noch etwas daran herum, und wenn es dann noch immer nicht passt, lasse ich es. Derzeit gibt es sehr viele Relaunches von Parfumklassikern. Was halten Sie davon? Damit wird der Markt noch mehr überflutet, im Grunde ist das nur ein Pushen der alten Noten. Das Ganze kostet ja nichts: Die Flasche ist schon da, die Flakonherstellung ist ja das Teuerste und kostet ein Heidengeld. Man ändert dann einfach ein bisschen das Packaging und gibt einen neuen Duft rein. (DERSTANDARD/rondo/Margit Wiener/3/09/04)