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Die Statistiken zur Jugendarbeitslosigkeit sind mittlerweile hinlänglich bekannt. Aktuell befinden sich fast 9.507 Jugendliche aktiv auf der Suche nach einer Lehrstelle. Zusätzlich 4.118 junge Menschen sind in laufenden Auffangnetz-Lehrgängen untergebracht, 3.356 in kurzfristigen Schulungen. Freie Ausbildungsplätze stehen derzeit 2.745 zur Verfügung. Eine besorgniserregende Diskrepanz, die sich nach Schätzungen der AMS-Lehrlingsexpertin Maria Hofstätter bis 2010 noch vergrößern dürfte. Bisher konnten Politik und Wirtschaft keine funktionierenden Modelle zur Lösung des Lehrstellen-Problems etablieren. Junge Menschen, die nicht am Abstellgleis der Arbeitslosigkeit enden wollen, kehren entweder entmutigt in die Schulen zurück oder müssen sich dem enormen Konkurrenzkampf am Arbeitsmarkt früher stellen, als die Generationen davor.

Casting - Assessment für die Jungen

Nirgends wird die neue Härte am jugendlichen Arbeitsmarkt sichtbarer, als in einem aktuellen Trend. Firmen in den USA machten es vor, in Deutschland sind sie mittlerweile Gang und Gebe und die Drogeriemarkt-Kette dm hat sie in Österreich eingeführt: die Lehrlings-Castings. Was unter dem Namen Assessment-Center im Prinzip bereits seit Jahren von Personalabteilungen praktiziert wird, ist am Lehrstellenmarkt unter der jugendlich modernen Bezeichnung "Casting" neu. Neu ist auch die Dimension der Mitarbeiterrekrutierung. In einer groß angelegten Werbetour informieren Firmen ihren potentiell auszubildenden Nachwuchs. Flächendeckend werden an einem Termin im Jahr Infotage in ganz Österreich veranstaltet, Bewerbungen werden vor Ort entgegengenommen. Wer zum Casting eingeladen wird, muss sich in praktischen Übungen, theoretischen Tests und Gesprächen gegen zahlreich anwesende Gleichaltrige durchsetzen. Gelebter Wettbewerb der direktesten Art.

Nachwuchs-Elite

Die Vorteile für Firmen liegen auf der Hand. Die Personalabteilungen können auf ihrem "Beutezug" aus einem riesigen Pool interessierter junger Leute auf Lehrstellensuche die Besten herausfiltern. Die Mehrkosten, die durch eine aufwändige Organisation mit begleitender Imagekampagne entstehen, werden durch die Qualität des Nachwuchses aufgewogen. Diejenigen, die erfolgreich aus dem Auswahlverfahren hervorgehen, verweisen stolz auf ein bestandenes "Casting", gehören zur Lehrlings-Elite. Mitarbeitermotivation von Beginn an.

Enormer Erfolgsdruck

Zur "Elite" gehört auch die angehende Drogistin Sabine, die unter 2000 BewerberInnen zum Zug kam und Anfang August ihre Lehrstelle angetreten hat: "Ich war einfach stolz, bei einem Casting dabei zu sein. Als man mich anrief, um mir zu sagen, dass ich eine Lehrstelle bekomme, habe ich mich total gefreut". 550 der 750 TeilnehmerInnen ihres Castings kamen für eine Lehrstelle nicht in Frage und erhielten eine Absage. Ein unnötig harter Konkurrenzkampf? Klaus Kurnig, leitender Psychologe und Psychotherapeut der Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe sieht grundsätzlich kein Problem in der neuen Form der Lehrlingssuche: "Die Anforderungen, die die Arbeitswelt an uns stellt, werden allgemein immer härter. Auch die Jugend kann sich davon nicht ausnehmen. Vorausgesetzt, dass diese Castings fair und professionell ablaufen, ist aus psychologischer Sicht eigentlich nichts dagegen zu sagen." Vor "Crashkursen", bei denen Jugendliche "aufeinander losgelassen werden, warnt Kurnig jedoch: "Das müsste man im Auge behalten."

Eine Verantwortung, die bei der Wirtschaft liegt. Denn die Mitarbeitersuche mit Showcharakter scheint zum neuen Trend zu werden. Ein begrüßenswerter Trend, sofern er mit einer Erhöhung der Lehrstellen am Markt einher geht, und nicht mit höherem Leistungsdruck für die Jugend. (mhe)