Washington - Nach ihrer Anhörung im Misshandlungsskandal
von Abu Ghraib muss die US-Soldatin Lynndie England mit einem Prozess
vor einem Militärgericht rechnen. Eine Militärrichterin beendete am
Dienstag in Fort Bragg (US-Bundesstaat North Carolina) die Vernehmung
von 26 Zeugen bei der Vorverhandlung. Die Richterin lehnte die
Anträge der Verteidigung ab, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld,
Vize-Präsident Dick Cheney, vier hochrangige Generäle sowie irakische
Misshandlungsopfer vorzuladen.
Es wird erwartet, dass die Militärrichterin innerhalb einer Woche
eine Prozesseröffnung gegen England vor einem Militärgericht
empfehlen wird. Auch der Anwalt der Soldatin rechnet mit der
Eröffnung des Verfahrens.
Haftstrafen bis zu 38 Jahren möglich
Der 21-jährigen Wachsoldatin werden bisher 19 Straftaten zur Last
gelegt. Sie muss im Fall einer Verurteilung mit einer Haftstrafe von
bis zu 38 Jahren rechnen. Da die Soldatin im achten Monat schwanger
ist, wird mit Prozessbeginn nicht vor kommendem Jahr gerechnet.
England gehört zu einer Gruppe von sieben US-Wachsoldaten, die sich
vor der Justiz verantworten muss. Wegen ihrer Posen mit nackten
irakischen Häftlingen ist England zum weltweiten Symbol für den
Misshandlungs- und Folterskandal im US-Militärgefängnis von Abu
Ghoreib bei Bagdad geworden.
Während der sieben Anhörungstage war die Strategie der
Verteidigung ins Wanken geraten, wonach die 21-Jährige auf Befehl von
Armeeermittlern und Geheimdienstmitarbeitern gehandelt habe. Ein
Kamerad Englands sagte aus, dass die Soldatin willige Teilnehmerin an
den Misshandlungen gewesen sei und sich dabei amüsiert habe. In zwei
Untersuchungsberichten des Pentagons wurde bereits in der vergangenen
Woche die Armeeführung wegen mangelnder Aufsichtspflicht und
Führungskraft kritisiert. Knapp 50 Armeeangehörige, Nachrichten-
Geheimdienstmitarbeiter und Sanitäter sollen direkt an Misshandlungen
beteiligt gewesen sein oder davon gewusst haben. (APA/dpa)