Vielleicht hilft eine Gebetsliga. Was genug spirituellen Dampf erzeugte, den nicht eben mit dem Ruhm eines christlichen Kämpfers bekleckerten Kaiser Karl für alle Ewigkeit selig zu machen, sollte auch stark genug sein, den ruhmreichen Vorkämpfer des Nulldefizits – in hoc signo vinces, oder? – wenigstens für den Rest der Legislaturperiode im seligen Glauben zu belassen, er wäre Finanzminister dank seiner Fähigkeiten. Das sollte umso leichter funktionieren, als die Person, die das Land ihre höchste weltliche und geistliche Autorität überwiegend durch trappistisches Schweigen spüren lässt, in Karl-Heinz Grasser keineswegs einen von der Industriellenvereinigung gesponserten Steuerhinterzieher, sehr wohl aber in himmlischer Klarheit einen "gottbegnadeten Wirtschaftspolitiker" zu erkennen glaubt.

Täuschung ausgeschlossen! Hat es sich doch längst herumgesprochen, dass göttliche Gnade hinfällt, wo Gott und Schüssel wollen, und nicht durch gute Werke zu erwerben ist. Was aber nicht heißt, dass alle Mitglieder der Regierung Schüssel gottbegnadet wären. Nicht einmal von Andreas Khol hat der Bundeskanzler das je behauptet, trotz untadelig christlichen Wandels.

Die Hartnäckigkeit, mit der sich die Gebetsliga für Kaiser Karl jahrelang – und letztlich mit Erfolg – gegen die Himmelstür warf, um Seiner Majestät Einlass zu verschaffen, wäre im Falle des Finanzministers nicht einmal erforderlich, gilt es doch nur, diesen vor einem höchst irdischen Hinauswurf zu bewahren, wie er schon so manchem Finanzminister widerfahren ist. Das sollte umso leichter möglich sein, als das Treiben von Karl-Heinz, was immer ihm Mephisto Matznetter vorwirft, weit weniger unangenehme Folgen für Menschen hatte als der Giftgaseinsatz am Isonzo, der die Seligsprechung von Karl auch nicht behindert.

Was das für die Zwecke der Gebetsliga erforderliche Wunder betrifft, kann sich der von Karl-Heinz begrüßte Nichtverkauf der Telekom an die Swisscom mit der Befreiung einer brasilianischen Nonne von ihren Krampfadern durchaus messen. Auch der demnächst pragmatisiert selige Karl hätte nicht gezögert, den gelungenen Varizenexorzismus zu begrüßen, er hat aber Maria Zita Gradowksa die Krampfadern auch nicht vorher ans Bein gewünscht.

Jede Gebetsliga, die Ersprießliches wirken will, braucht einen Präsidenten, der ganz in dem gesetzten Ziel aufgeht und dessen sittliche Beschaffenheit eine Erreichung nicht von vornherein zunichte macht. Für Kaiser Karl war Kurt Krenn der ideale Pfadfinder in die Gefilde der Seligen. Bereits angedeutete ungünstige Voraussetzungen haben den Trip verzögert, am mangelnden Einsatz des inzwischen vom St. Pöltner Oberhirten zum Halterbuben zurückgestuften Ligapräsidenten ist das aber nicht gelegen. Dank vom Hause Vatikan, wenn man ihn nur wegen einiger Bubendummheiten bei der Seligsprechung am 3. Oktober in Rom plötzlich nicht mehr dabei haben will, während die kaiserlichen Dummheiten des Seligen von keinem Visitator beanstandet werden!

Was daraus zu lernen ist? Es wird in den nächsten Tagen darauf ankommen, wer die Rolle eines Präsidenten der Gebetsliga für den Finanzminister auf sich nimmt. Wer immer es ist, so leicht wie Krenn wird er es nicht haben. Als Erster käme dafür naturgemäß der Hauptverantwortliche infrage. Er hat Grasser, geblendet von dessen Gottesgnadentum, das Finanzressort übertragen, ihn ließ er, als wäre der Schaden noch nicht groß genug, in den ÖVP-Vorstand berufen.

Gelänge es Schüssel, an der Spitze seiner Gebetsliga, das Land ehrlich davon zu überzeugen, sein Heimpage mit der Homepage sei ein Wirtschaftspolitiker – es wäre ihm auch die Erlösung seiner Landsleute von ihren Krampfadern zuzutrauen. (DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.8.2004)