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Sowjetische Truppen beim Kampf um Stalingrad (undatiertes Archivbild aus dem Jahr 1942)

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Zweiter Weltkrieg tritt in den Hintergrund

Grafik: APA/E. Schulte-Holtey
Linz - Der Zweite Weltkrieg - er begann vor 65 Jahren, am 1. September 1939 mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Polen - wird von den Österreichern zunehmend "vergessen". Der Wissensstand über Personen und Ereignisse aus dieser Zeit, aber auch die Häufigkeit der Gespräche darüber in den Familien nimmt ab. Das stellte das Linzer Meinungsforschungsinstitut IMAS in einem am Freitag veröffentlichten Vergleich von aktuellen Umfrage-Ergebnissen mit früheren, bis in das Jahr 1985 zurückreichenden fest.

Die jüngste Umfrage wurde Ende Juli/Anfang August bei 1.014 repräsentativ ausgewählten Österreichern durchgeführt. Bei dem Vergleich ihrer Ergebnisse mit jenen von früheren Umfragen geben die Meinungsforscher zu bedenken, dass die Zahl der Zeitzeugen mittlerweile auf eine statistisch kleine Gruppe zusammengeschrumpft ist: Nur mehr etwa acht Prozent der Bevölkerung - das entspricht zirka 640.000 Personen - haben theoretisch das Kriegsgeschehen selbst erlebt.

Adolf Hitler ein Begriff

Die Meinungsforscher stellten denn auch ein abnehmendes Wissen über die damals handelnden Personen fest. Nur Adolf Hitler ist den heute Lebenden noch annähend vollzählig ein Begriff, von ihm können 90 Prozent ungefähr sagen, um wenn es sich handelt. Mit dem Namen des sowjetischen Diktators Josef Stalin können 76 Prozent etwas anfangen, der britische Premier Winston Churchill ist 69 Prozent bekannt. Italiens "Duce" Benito Mussolini liegt mit 64 Prozent Bekanntheitsgrad schon unter der Zwei Drittel-Marke. Noch ein wenig schwächer ist die Kenntnis vom amerikanischen Oberbefehlshaber und späteren Präsidenten Dwight D. Eisenhower, vom deutschen Reichsmarschall Hermann Göring, SS-Chef Heinrich Himmler und von Hitlers Propagandaminister Josef Goebbels.

Für gerade noch die Hälfte der Österreicher sind der am 20. Juli 1944 erschossene Widerstandskämpfer Claus Graf Stauffenberg - trotz der gerade kurz vor dem Umfragezeitraum erschienenen Berichte über ihn, sowie die Tagebuchverfasserin Anne Frank ein Begriff. Am allerwenigsten - konkret: 25 Prozent - wissen die Österreicher über den ehemaligen "Reichsjugendführer" und späteren Gauleiter von Wien, Baldur Schirach, Bescheid. Am ehesten haben noch die Wiener - 44 Prozent - eine vage Kenntnis über den einst mächtigsten Mann in ihrer Stadt.

Vergleich

Der Vergleich mit früheren Umfragen zeigt, dass die Erinnerung an die während des Zweiten Weltkrieges handelnden Personen stetig abgenommen hat, lediglich 1995 flammte sie kurzfristig auf - damals war das 50. Jubiläums des Kriegsendes ein Thema. Sogar die Bekanntheit von Hitler hat gegenüber 1985 um fünf Prozentpunkte abgenommen, jene von den anderen abgefragten Personen um bis zu zwölf Prozentpunkte.

Ereignisse

Auch das Wissen über Begriffe im Zusammenhang mit der Zeit um den Zweiten Weltkrieg ist sehr unterschiedlich. An die 70 Prozent und mehr können "ungefähr" erklären, was mit "KZ", Judenverfolgung", "Auschwitz", "Holocaust", "Stalingrad" und Hiroshima" gemeint ist. "Invasion" können nur noch 56 Prozent deuten. Der nordafrikanische Schlachtenort "Tobruk" ist nur noch 22 Prozent ein Begriff. Die Tragödie des Schiffes "Wilhelm Gustloff", das Anfang 1944 nach dem Torpedotreffer eines sowjetischen U-Bootes mit rund 3.500 Flüchtlingen aus Ostpreußen in der Ostsee versank ist 19 Prozent bekannt, der "Morgenthauplan" des seinerzeitigen US-Finanzministers, der eine Reduktion Deutschlands auf den Status eines Agrarlandes vorschlug überhaupt nur 16 Prozent.

Kennzeichnend für die Situation ist laut Meinungsforscher, dass das Wissen über die Personen der Geschichte auch bei der nur mehr teilweise aus Zeitzeugen bestehenden Seniorengeneration zurückgeht. Am besten informiert sind noch Maturanten und Akademiker.

Gesprächsthema in den Familien

Die jüngste Umfrage ergab auch, dass der Zweite Weltkrieg als Gesprächsthema in den Familien eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Lediglich neun Prozent berichten, dass bei ihnen zu Hause "oft" über die Kriegszeit geredet wird. Bei 39 Prozent kommt dies "ab und zu" vor. Bei der absoluten Mehrheit von 52 Prozent jedoch "so gut wie nie". "Vor rund 20 Jahren war die Bevölkerung dem damaligen Geschehen gedanklich noch erheblich näher", vergleicht IMAS. Damals ist bei 17 Prozent häufig, bei 46 Prozent ab und zu und bei 37 Prozent so gut nie über den Krieg gesprochen worden.

Die Befragten sind sich ihrer Informationsdefizite durchaus bewusst. Lediglich 15 Prozent fühlen sich "sehr gut" über die damaligen Ereignisse unterrichtet, 45 Prozent bezeichnen sich als "einigermaßen informiert". Der Anteil der Österreicher, die sich selbst unumwunden ein geringes Wissen bescheinigen, beträgt 40 Prozent, jener der Personen unter 30 Jahre sogar 54 Prozent.

Zugemessene Bedeutung

Damit können die Betroffenen aber offenbar leben. Zwar betrachten insgesamt 56 Prozent einschlägige Kenntnisse grundsätzlich als wichtig, lediglich 21 Prozent messen ihnen jedoch eine wirklich große Bedeutung bei. Respektable 44 Prozent halten dagegen einen möglichst hohen Wissensstand für mehr oder weniger entbehrlich, von einer geringen Bedeutung sprechen allerdings auch nur 15 Prozent.

Einen "tiefsitzenden Zweifel" bei den Österreichern erkennen die Meinungsforscher bei der Frage, ob ihrer Meinung nach über die Vorgänge vor und während des Zweiten Weltkrieges sachlich und objektiv, oder eher verzerrt und einseitig berichtet werde. Nur 28 Prozent glauben an eine objektive Darstellung des Geschehens, mindestens ebenso viele sprechen von verzerrter Berichterstattung, eine relative Mehrheit wagt kein konkretes Urteil. Die schärfste Kritik an einer nicht sachgerechten Darstellung des Zweiten Weltkrieges kommt von Personen über 50 Jahre. Die Generation unter 30 Jahre ist hingegen davon gekennzeichnet, dass 51 Prozent kein Urteil über die Objektivität der Berichterstattung abgeben wollen. (APA)