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Hundt: "Die Sozialpartnerschaft funktioniert in Österreich gut, das zeigt der aktuelle AUA-Abschluss"

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Standard: Der Export steigt an, die Konjunktur kommt in Schwung, warum tut sich auf dem Arbeitsmarkt so wenig?

Hundt: Wichtige Voraussetzung für mehr Beschäftigung ist in Deutschland die Fortsetzung und Intensivierung des Reformprozesses. Wir müssen den Umbau der Sozialsysteme und des Arbeitsmarktes weiter vorantreiben, dann bringen wir die Wirtschaft wieder in Schwung und schaffen neue Arbeitsplätze.

Standard: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Wettbewerbshemmnisse in Deutschland?

Hundt: Wir haben in Deutschland zum einen ein Kostenproblem. Wir zahlen nicht nur höchste Löhne bei kürzesten Arbeitszeiten, sondern uns belasten auch sehr hohe Lohnzusatzkosten. Deshalb ist eine der vorrangigsten Forderungen der Wirtschaft, die Lohnzusatzkosten zu reduzieren, insbesondere die Sozialversicherungsbeiträge. Die Regierung steht uns diesbezüglich im Wort. Sie hat zugesagt, die Beiträge deutlich unter 40 Prozent abzusenken. Wir liegen weiter bei 42 Prozent. Weitere Hindernisse sind die Bürokratie und der hohe Kündigungsschutz.

Standard: Aber im Bereich Kündigungsschutz hat diese Regierung etwas getan. Er greift jetzt erst in Betrieben ab zehn Mitarbeitern, früher ab fünf.

Hundt: Wir müssen zu deutlich weiteren Lockerungen kommen. Der Kündigungsschutz sollte beispielsweise erst nach einer dreijährigen Beschäftigungsdauer wirksam werden. Daneben benötigen die Arbeitgeber auch eine rechtssichere Option, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung beenden zu können. Wir wollen nicht zum amerikanischen Hire-and-Fire-Prinzip kommen, sondern jüngere Menschen oder länger arbeitslos Gewesene zu anderen Bedingungen als den bestehenden Kündigungsschutzregeln einstellen können. Viele Betriebe schaffen aus Sorge um mögliche Kündigungsschutzprozesse keine neuen Arbeitsplätze. Diese Beschäftigungsbarriere muss abgesenkt werden.

Standard: Muss man sich in Deutschland generell auf längere Arbeitszeiten einstellen?

Hundt: Die Deutschen arbeiten im internationalen Vergleich zu wenig. Wir müssen wieder mehr leisten. Das bedeutet auch, wieder länger zu arbeiten. Ich plädiere auch hier für flexible Lösungen in den Betrieben. Eine generelle Verlängerung der Arbeitszeit für alle ist nicht mehr zeitgemäß, Flexibilität ist gefragt.

Standard: Deutsche Unternehmer drohen immer wieder damit, ins Ausland abzuwandern. Rechnen Sie mit einer Abwanderungswelle?

Hundt: Ich lehne Ihre Formulierung ab, dass dies eine Drohung ist. Unternehmen sind zunehmend gezwungen, zum Erhalt einer möglichst großen Zahl von Arbeitsplätzen im Inland Möglichkeiten einer kostengünstigen Fertigung teilweise auch im Ausland zu suchen. Den Trend, Tätigkeiten ins Ausland zu verlegen, wird es weitergeben. Ich gehe davon aus, dass wir durch mehr betriebliche Regelungen größere Flexibilität und dadurch bessere Wettbewerbsfähigkeit erreichen. Das kann wesentlich dazu beitragen, dass Arbeitsplätze in Deutschland gehalten und neue geschaffen werden.

Standard: Warum ist der österreichische Arbeitsmarkt flexibler als jener in Deutschland und mit ein Grund, dass die Sozialpartnerschaft in Österreich ausgeprägter ist?

Hundt: Die Kündigungsschutzhürden sind niedriger, das schafft mehr Flexibilität. Die Sozialpartnerschaft funktioniert in Österreich gut, das zeigt der aktuelle AUA-Abschluss. In Deutschland haben wir auch Erfolge erzielt, wir sind aber noch längst nicht am Ziel. Ich begrüße sehr, dass wir in den Tarifrunden dieses Jahres weiter vorangekommen sind und die Möglichkeit flexibler betrieblicher Gestaltung deutlich ausgebaut wurde. Das ist eine Voraussetzung, um im globalen Wettbewerb wieder erfolgreicher zu werden.

Standard: Was bringt Hartz IV den Unternehmern?

Hundt: Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist eine dringend erforderliche und richtige Maßnahme. Sie wird dazu beitragen, dass Langzeitarbeitslose wieder schneller in den Arbeitsprozess integriert werden. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit in Deutschland liegt bei 35, in der EU bei etwas über 20, in Österreich bei etwas über 15 Wochen.

Standard: In Ostdeutschland gibt es aber zu wenig Stellen.

Hundt: Wir haben in Ostdeutschland eine besonders angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt. Wir nutzen aber in Deutschland den Bereich der Niedriglohntätigkeiten etwa im Dienstleistungsbereich insgesamt zu wenig. Hier müssen wir Anreize schaffen, dass diese Jobs attraktiver werden. Andere Länder sind hier wesentlich weiter.

Standard: Was halten Sie von den Ein-Euro-Jobs für kommunale Tätigkeiten?

Hundt: Prinzipiell unterstütze ich den Vorschlag. Jedem erwerbsfähigen Langzeitarbeitslosen, der keine Arbeit am ersten Arbeitsmarkt findet, kann damit etwa eine Beschäftigung im Kommunalbereich angeboten werden. Dabei dürfen aber selbstverständlich keine regulären Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt verdrängt oder vernichtet werden. Dieses Instrument muss deshalb mit großem Bedacht genutzt werden.

Standard: Entsteht durch die Debatte über Niedriglöhne, Ein-Euro-Jobs und die Tatsache, dass Langzeitarbeitslose auch Jobs mit Bezahlung unter dem ortsüblichen Niveau annehmen müssen, nicht ein Druck auf alle Arbeitnehmer?

Hundt: Das halte ich für eine sehr theoretische Debatte, weil in Tarifbereichen Entgeltregelungen auch für untere Lohngruppen existieren.

Standard: SPD-Chef Franz Müntefering hat gesetzliche Mindestlöhne angeregt. Wie ist Ihre Position?

Hundt : Das lehnen wir strikt ab. Ein gesetzlicher Mindestlohn löst kein einziges Problem, sondern schafft im Gegenteil sogar neue. Wir haben mit der Sozialhilfe bereits einen faktischen Mindestlohn, der negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zeigt. (Der Standard, Printausgabe, 27.08.2004)