Salzburg - Vom Repertoire her ist den Solistenkonzerten der Salzburger Festspiele ein Armutszeugnis auszustellen. Weniger von den Besetzungen her - wenngleich auch hier so gut wie nichts auf Experiment und Wagnis schließen lässt. Doch in den Repertoireentscheidungen der engagierten, aber nicht eigentlich engagierten Solisten fällt es auch heuer mehr als schmerzlich auf, dass die Musik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts - ganz zu schweigen von absoluten Neuigkeiten - keine Rolle spielt.

Natürlich haben die Kurtágs ihre halbwegs neuen, schönen Geläufigkeiten gespielt. Aber bei Rudolf Buchbinder, Mischa Maisky, Maurizio Pollini, Cecilia Bartoli und Alfred Brendel, der im Großen Festspielhaus nun einen wirklich schönen, gescheiten Abend gab, sind es die gesicherten und gleichsam bestens beleumundeten Stücke, die von den erwähnten internationalen Kapazitäten gewissermaßen aus dem Köcher des Althergebrachten und Althergeübten gezogen werden.

Hier müssten die Salzburger Festspiele - und vor allem wohl ein komponierender Musiker mit zeitgenössischen Avancen wie der Salzburger Intendant Peter Ruzicka - ihr Augenmerk schärfen, denn auch auf dem Gebiet der Klaviermusik sollten (selbst die wenigen Altherren und -damen der Tastenkunst) nicht völlig in Ignoranz für das Gegenwärtige ihre hübschen Gagen beziehen.

Alfred Brendel immerhin hatte sich Wolfgang Amadeus Mozarts weniger favorisierte c-Moll-Fantasie (KV 396) als Eingangsstück gewählt, aber ansonsten kombinierte er das schon seit Jahren gepflegte, im Detail und in den größeren Abläufen fesselnd auskunftsreich ausgeleuchtete Repertoire. Es ist, als könnte man zu saftigen Preisen und im Angesicht des leibhaftigen Interpreten zum wiederholten Mal die geliebten Schallplatten und CDs nacherleben.

Mehr Überraschung

Es schmeckt nach Wiederbegegnung, nach Bestätigung des Erfahrenen, nach Wollust des Konservativen, aber es fehlt uns - bei aller tiefen, ja scheuen Bewunderung für den Künstler, den Altmeister Brendel - ein Fünkchen an Überraschung, an literarischer Erneuerungslust. Das Leben eines Pianisten - und wohl auch das Leben eines hoch dekorierten und auch hoch bezahlten Virtuosen - sollte selbst in den Regionen der Altmeisterei nicht im Abonnement verkümmern! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 8. 2004)