Foto: Filmladen
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Wien - Ein Stein, seinem Träger am Rücken festgebunden, symbolisiert die Schuld als Bürde. Der Schüler hatte zuvor einer Schlange, einem Fisch und einem Frosch das Gleiche angetan, jetzt soll er die Tiere retten, so er sie retten kann. "Wenn eines der Tiere stirbt, wirst du diesen Stein immer auf deinem Herzen tragen", meint sein umsichtiger Meister zu ihm. Lektionen erteilt er in Form von Analogien.

Den Stein freilich wird der Schüler, längst erwachsen, in Kim Ki-Duks neuem Film Frühling, Sommer, Herbst, Winter . . . und Frühling/Bom yeoreum gaeul gyeoul geurigo bom sein Leben lang nicht los. Schuld und Verantwortung, die Verlockungen eines weltlichen Lebens und die Versunkenheit in ein spirituelles - diese Themen hat der koreanische Regisseur in eine buddhistische Parabel überführt, in der die zyklischen Jahreszeiten für menschliche Lebensabschnitte stehen.

Mit seinen früheren Filmen hat sich Kim, meist Autor, Regisseur und Darsteller in Personalunion, als eine der eigenwilligsten Stimmen seines Landes profiliert. Zwischenmenschliche Gewalt (The Isle) oder die Zerrüttungen seiner kriegsversehrten Heimat (Adress Unknown) übersetzte er in affektgeladene Bilder und drastische Symbole - zwei blutige Angelhaken verschränkte er zu einem Herz.

Frühling, Sommer, Herbst, Winter . . . stellt demgegenüber eine Wende ins Kontemplative dar. Schon der Schauplatz, ein hölzerner Tempel auf einem idyllisch gelegenen See in den Bergen, strahlt förmlich eine Abgewandtheit von der Welt aus. Doch die Kamera wird in ständig wechselnden, nichtsdestoweniger ruhigen Ansichten nicht müde, auch diesem Ort - über das Schauspiel der Natur - eine eigene Zeitlichkeit zu verleihen.

Diese manifestiert sich auch in den beiden Hauptfiguren, dem Mönch und seinem Schüler. Steht der Frühling für die Kindheit - und die Entdeckung der Schuld -, erwachen mit dem Sommer die Gefühle. Eine junge Frau mit unbekanntem Leiden wird zum Tempel gebracht, womit die die Fabel um eine Probe erweitert wird. Denn während der alte Mönch die Frau mit Kräutertee zu heilen versucht, praktiziert der junge mit denkbar weltlichen Methoden - und es scheint so, dass er damit erfolgreicher ist.

Liebe und Mord

Kim wechselt mit dieser Episode in eine komische Form, er lässt sogar ein gewisses Maß an Slapstick zu, doch mit der Liebe geht bei ihm kein Jahr zur Neige. Die Wahrheit zeigt sich in diesem Film, wenngleich ironisch gebrochen, erst im einmal geschlossenen Zyklus. Und so kehrt der Schüler, nachdem er seinen Meister verlassen hat, im Herbst als wütender Eifersuchtsmörder zu ihm zurück, um wieder Buße zu tun.

Mit dieser neuerlichen Wende blitzt auch der pessimistische Kim der früheren Filme wieder auf, der nur wenig Vertrauen in die soziale Kompetenz des Menschen setzt. Allein der alte Mönch, mehr ein weiser Kauz denn ein Hohepriester, scheint in seinem spirituellen Weg der Enthaltsamkeit eine Alternative gefunden zu haben. Er weiß die menschliche Natur zu bändigen.

Manches an Frühling, Sommer, Herbst, Winter . . . muss fremd bleiben, die Bedeutung der Schriftzeichen etwa, die sich die Mönche über die Augen kleben. Doch seine Erzählung um die Erziehung und die Schritte des menschlichen Erwachsenwerdens, die er dem Prinzip einer zyklischen Wiederholung abgewinnt - ohne dabei je ins Esoterische abzugleiten -, ist wohl universell verständlich. (Dominik Kamalzadeh/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. 8. 2004)