Dass bei den amerikanischen Geheimdiensten massivster Reformbedarf besteht, ist nicht erst seit den Berichten der 9/11-Kommission ein offenes Geheimnis. Seit Jahren und Jahrzehnten weiß man, dass die militärischen und zivilen Dienste nur selten organisch kooperieren. Häufig werkeln sie nebeneinander her, fallweise auch gegeneinander. Es geht um enorm viel Geld, Macht und Einfluss, und jeder Dienst wehrt sich mit Händen und Füssen dagegen, wenn ihm etwas weggenommen werden soll. Mein Turf - dein Turf: Das ist immer noch die Denkfigur, die bei CIA, NSA und Konsorten dominiert.

Der 11. September 2001 und die Erkenntnisse über das katastrophale Versagen der Geheimdienste haben den politischen Willen zu einer wirklich tief greifenden Veränderung allerdings in ungeahntem Ausmaß erstarken lassen. Anders wäre es nicht denkbar, dass sich ein Senator - der Republikaner Pat Roberts aus Kansas - mit einem Vorschlag an die Öffentlichkeit begibt, der auf eine Zerschlagung der CIA hinausliefe und dem Pentagon wesentliche Kompetenzen abspenstig machen würde. Nutznießer der weitläufigen Umbauarbeiten, die Roberts vorgeschlagen hat, wäre ein neuer nationaler Geheimdienstchef, der damit zu einem der mächtigsten Männer der USA würde.

Wie kontrovers sich die Geheimdienstreform darstellt, lässt sich an den Reaktionen auf Roberts Vorschlag ablesen: CIA und Pentagon lehnen ihn schroff ab, die Regierung hat ihn ohne Begeisterung zur Kenntnis genommen, und lediglich John Kerry hat sich hinter Roberts gestellt. Das ist vor allem im Rahmen des laufenden Wahlkampfes zu sehen: Der demokratische Präsidentschaftskandidat möchte gerne aus der Unentschlossenheit, die Bush in dieser Frage an den Tag legt, politisches Kleingeld schlagen. Wie Kerrys Geheimrezept lautet, eine Reform gegen den Widerstand aller Betroffenen einschließlich ihrer Helfer im Kongress durchzupeitschen, das ist vorläufig noch unbekannt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.8.2004)