Wien - Angst vor Versorgungsengpässen in der kalten Jahreszeit hat am Freitag die Ölpreise weiter hinauf getrieben. Kontrakte für die Lieferung im September kosten in New York bereits 49,29 Dollar. In Europa werden die Kontrakte auf die Sorte Brent bereits um über 45 Dollar gehandelt. Damit ist Öl seit Jahresanfang um rund 50 Prozent teurer.

Zwar sanken in New York die Ölpreise bei Bekanntgabe der angeblichen Übernahme der Moschee in Najaf wieder, doch hatten die Preise teilweise einen Rekordstand erreicht.

Rekordstand der Heizölpreise

Zum Beispiel die Heizölpreise in Rotterdam: Mit über 400 Dollar je Tonne war Heizöl überhaupt noch nie so teuer, sagt der Mineralölwirtschaftsverband in Hamburg. Binnen einer Woche ist der Preis demnach um 26 Dollar oder etwa sieben Prozent gestiegen. Wie berichtet, errechnete die Arbeiterkammer, dass heimische Haushalte mit einem Verbrauch von 1500 Litern Heizöl heuer bis zu 300 Euro höhere Kosten tragen müssten.

Gleichzeitig erwarten rund zwei Drittel aller von der Finanzagentur Bloomberg befragten Ölhändler, dass die Preisrallye weitergeht. Der Grund: Die Internationale Energieagentur (IEA) erhöhte zuletzt erneut die Verbrauchsprognosen für Rohöl auf 82,2 Mio. Fass pro Tag und erwartet auch höhere Nachfrage nach Treibstoff. Dahinter stehen auf der einen Seite die noch immer robuste Konjunktur in den USA und die massive Wachstumsdynamik in China und Asien. Auf der anderen Seite erzeugen die Unsicherheit in Venezuela, die Anschläge auf Pipelines im Irak und die Zerschlagung des russischen Ölriesen Yukos bei derzeit ausgeschöpften Förderkapazitäten Angst.

Angstfaktor

Diesen "Angstfaktor" beim Ölpreis quantifizieren Ölexperten mit zehn bis 16 Dollar Aufschlag je Fass. Der demokratische US-Präsidentschaftskandidat John Kerry hatte zuletzt von "15 Dollar fear factor" gesprochen und diesen dem amtierenden Präsidenten George W. Bush und seiner Irakpolitik in die Schuhe geschoben.

"Es ist eine reale Angst im Markt, und damit sich die legt, braucht es Zeit", sagt Ölmarktexperte und Energieberater Johannes Benigni. Die Lager würden derzeit zwar weltweit massiv aufgebaut, dass im "kalten Quartal die Preise runtergehen, ist aber sehr unwahrscheinlich". Zudem erwartet er in den ersten beiden Quartalen 2005 ein Hinaufschnellen der Benzinpreise in den USA, "weil dann die Raffinerien ihre Wartungen durchführen und nicht produzieren".

Kein Platzen der Spekulationsblase

Dass Hedgefonds, die sich auf Trends setzen, diese verstärken, nach ausreichendem Gewinn verkaufen, und damit die Ölpreise plötzlich wieder zurückgehen, räumen andere Marktexperten zwar auch ein. Rund sechs bis acht Euro je Fass wird solchen spekulativen Marktteilnehmern eingeräumt. Auf das Platzen dieser Blase zu setzen sei allerdings zu früh, heißt es überwiegend in den Analysen.

Solcherart mehren sich auch die Sorgen um die Weltkonjunktur. Ökonomen gehen überwiegend von einem "asymmetrischen" Einfluss aus. Das heißt, dass ein Anstieg von 45 auf 50 Dollar je Fass stärker dämpft als einer von 30 auf 35 Dollar. Die Volkswirte der BA-CA sehen "die weltwirtschaftliche Dynamik 2005 von vier auf drei Prozent zurückgehen". Die Konjunkturdynamik, heißt es in einer aktuellen Analyse, dürfte im zweiten Halbjahr 2004 ihren Höhepunkt erreicht haben. (red/Karin Bauer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.8.2004)