Eine alte Lkw-Plane trägt kaum jemand nur so über der Schulter. Es sei denn, sie hat einen Gurt, einen Zipp und einen guten Namen. Lumabag, Kultbag, Canvasco, Freitag oder TüTa heißen die Labels, mit denen Taschen aus Lkw-Planen oder Luftmatratzen ihre Käufer finden - genäht aus Stoffen, die andere auf den Müll geworfen haben.

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Die Schweizer Brüder Markus und Daniel Freitag haben vor elf Jahren die ersten Taschen aus Lkw-Planen genäht. Inzwischen verkaufen viele junge Designer die wetterfesten Bags: Umhängetaschen zum Aufblasen, Kulturbeutel aus Plastiksackerln oder Reisetaschen aus altem Segeltuch.

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Beliebt sind die Taschen vor allem wegen ihrer Wetterfestigkeit. Die Brüder Freitag haben sich 1993 die Idee von den Fahrradkurieren in London und New York abgeschaut. Die Studenten der Zürcher Hochschule für Gestaltung waren viel mit dem Rad unterwegs und ärgerten sich über durchnässte Unterlagen. Darum entwarfen sie ihre erste Tasche aus einer alten Lkw-Plane - wasserdicht, strapazierfähig, weit gereist und bunt bedruckt.

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"Zudem war Anfang der neunziger Jahre das Thema Recycling nicht nur bei der Familie Freitag, sondern in der ganzen Schweiz sehr ausgeprägt", sagt Christine Roth, Marketingleiterin der Freitag lab. ag in Zürich. Heute beschäftigen Markus und Daniel Freitag 40 Mitarbeiter in Zürich und Davos sowie drei in Hamburg. Sie verkaufen jährlich rund 100.000 Taschen in diversen Größen und Modellen und in der ganzen Welt.

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Eine Menge, die Uwe Malte Arndt in seinem kleinen Atelier in Bremen vermutlich niemals schaffen wird - und auch nicht will. 350 Lumabags im Jahr reichen ihm. Arndt hat seiner Freundin vor sieben Jahren ein Geschenk gemacht: Eine selbst genähte Umhängetasche aus Lkw-Plane. Zwei Jahre später entdeckte Arndt eine alte Luftmatratze auf dem Sperrmüll.

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"Da entstand die Idee für Lumabag", erzählt der 35-Jährige. Arndt liebt das Besondere, wie zum Beispiel das Modell zum Aufblasen. "Da hat man immer ein Kissen dabei." Neu ist ein Transporter-Bag, in dessen Deckel Plattencover gesteckt und nach Lust und Laune ausgetauscht werden können. Das Material - wie zum Beispiel Autogurte mit Schnappverschluss - holt Arndt vom Schrottplatz. Die meisten Käufer suchen sich Stoff und Modell aus und lassen die Tasche anfertigen, damit sie ein Unikat bekommen.

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Jan-Marc Stührmann holt das Material nicht von der Straße, sondern aus dem Wasser. Er verkauft Taschen aus alten Segeln. Der Bremer Werbefachmann hat im Frühjahr 2003 vier wetterfeste Taschenmodelle entworfen, die er unter dem Label Canvasco verkauft. Seit Dezember hat Canvasco rund 3.500 Taschen abgesetzt. "Unsere Kapazitäten stoßen jetzt an ihre Grenzen", sagt der 34-Jährige.

Er lässt die Taschen von Frauen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vechta nähen, zwölf Strafgefangene arbeiten dort für ihn. Neu im Angebot sind Reisetaschen und Miniröcke. Neu sind ebenfalls die Kunden in Italien, Schweden, in der Schweiz und in Japan. "Zurzeit laufen Gespräche mit einem Gefängnis in Berlin als zweite Produktionsstätte", sagt Stührmann.

Auch Maren Krämer lässt ihre TüTas in der JVA Vechta produzieren. Sie hat ebenfalls gedanklich im Müll gekramt, um den Stoff zu finden: Die 32-Jährige nimmt Plastikeinkaufssackerln und näht daraus Handtaschen. "Die Leute sind auf den ersten Blick irritiert: Sie erkennen das Motiv wieder, aber die Tüte ist jetzt mehr als nur eine Tüte", so Krämer. Die Sackerl sammelt Krämer nicht mehr, die schicken ihr heute die Konzerne. "Aber einmal habe ich auch schon ein Unterlassungsschreiben erhalten." freitag.ch; canvasco.de; tueta.com; lumabag.de; (APA/red)

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