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Olympische Spiele als Spiegel der Zeit, im Laufe derer Frauen schon etliche Hürden genommen haben.
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Adieu, biedermeierliche Körperfeindlichkeit! Bien venue, Neoklassizismus! Der neuzeitliche Vater der olympischen Spiele Pierre de Coubertin entzündete das Feuer für die klassische antike Körperkultur, das 1896 in Athen erstmals wieder offiziell loderte, verbunden mit den damals allein für Männer gültigen Werten von Stärke, Kampf und Sieg.

Bei den ersten Olympischen Spielen waren Frauen nicht zugelassen, doch bemerkbar machte sich dennoch eine: die Griechin Stamathia Roviti ließ sich ihren Marathonlauf von Bürgern und der Polizei bestätigen, um so gegen den Ausschluss von Frauen an den Spielen zu protestieren.

StaatsKörper

Im Jahr 1900 durften Frauen in nur drei Disziplinen antreten: Tennis, Golf und Segeln. Noch 1908 wurde eine Schwimmerin namens Annette Keller ins Gefängnis von Boston gesteckt, weil ihr Einteiler nicht die Waden bedeckte. 1924 bei den Winterspielen in Chamonix nahmen Mannschaften aus 16 Ländern und insgesamt 258 SportlerInnen teil - nur 13 davon Frauen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das weibliche Interesse für Sport insbesondere in der Weimarer Republik zur Pflicht am Staatskörper gemacht, indem der eigene Körper gestählt werden sollte, denn "Starke werden von Starken geboren". Die Nazis setzten sich also, was Volksertüchtigung anging, 1933 ins gemachte Nest, und forcierten noch die Propaganda des Frauensports im Rahmen einer totalitär-fatalen Wehrhaftmachung. In den übrigen europäischen Ländern sowie in den USA setzte sich das englische Prinzip der sportlichen Rekorde, der Messbarkeit von Leistung und des Wettkampfs in sportlichen Disziplinen durch, bei Frauen nur in manchen davon, schon gar bei Olympischen Spielen.

Die Auswirkungen der 60er Jahre

Zu einer verstärkten, wieder politisch, nicht ethisch motivierten Frauenförderung ging man in den westlichen Nationen erst über, als man gegen die Überlegenheit der Sportlerinnen der sozialistischen Staaten "aufzurüsten" begann. Ein wichtiger Schritt hierzu war schließlich der "Title IX", ein in den USA 1972 verabschiedetes Gesetz, das die Diskriminierung von weiblichen Mitgliedern in Sportverbänden verbat.
Doch die Förderung passiert(e) wieder nur in bestimmten Disziplinen. Und Förderung impliziert mitnichten Akzeptanz. Alle Sportarten hatten (und haben) mit dem Problem fertig zu werden, dass die Definition, was "unweiblich" ist, von Männern in den leitenden Positionen der Sportorganisationen bestimmt wurde und wird. Wertehierarchien, Rollenzwänge und irrationale Argumente wie die Ästhetik, wurden immer wieder bemüht, um Frauen, wenn auch nicht allgemein, so doch wenigstens vom "Heiligtum des Sports", den Olympiaden, fernzuhalten, was durch die Blockaden des vergreisenden IOC (das männliche, weiße, elitäre Internationale Olympisches Komitee) damals nicht schwer fiel. Dieses Schicksal teilten die Sportlerinnen mit schwarzen AthletInnen, und am schwersten hatten es, einmal mehr, schwarze Frauen.

... in die Gegenwart

Die Prinzipien der Geschlechterdisparität wurden im Sport, insbesondere bei Großereignissen, gnadenlos zur Anwendung gebracht. Argumente der Gesundheitsgefährung von Frauen in gewissen Disziplinen wurden vorgeracht, von der "Gebrechlichkeit" des weiblichen Skeletts bis zur ineffizienteren Muskulatur war die Rede. So geschah es erst 1972 (Title IX), dass olympische Laufbewerbe über 800 Meter für Frauen freigegeben wurden. Bei Winterspielen kommt der Unterschied stärker zum Vorschein: Bei Langlaufbewerben ist es bis heute so, dass Frauen 30 km klassisch laufen, Männer jedoch 50 km. In alpinen Disziplinen sind die von Frauen zu bewältigenden Strecken kürzer als die der Männer. Diese Benachteiligung führt bis zur letzten Konsequenz, dem Preisgeld. Weniger Geld für gleiche Arbeit, die im Spitzensport das Leben besetzt hält, ist bis heute eine Konstante im Frauensport.

Geschlechtskontrolle

Neben - und als eigentlicher Grund der Leistungs"un"fähigkeit - wurde auch der Körper, das primäre Instrument der Sportlerinnen, nicht "nur" in seiner Funktionalität degradiert, er wurde zur Qualifikations- und Projektionsfläche demontiert, und selbst den Sportlerinnen fiel es erst durch die "Adoption" des Sports in die feministischen Belange von internationalen Frauenbewegungen auf. Ein scheinbar ästhetisches Kriterium, die "Unweiblichkeit", machte es den Leistungsträgerinnen insbesondere der Leichtathletik schwer, sich zu behaupten. Muskeln waren und sind bei Frauen ungern gesehen, und somit nicht akzeptiert. Im Spannungsfeld zwischen Leistungs- und Weiblichkeitsdruck entstandene Gerüchte um "Mannweiber" (aus kommunistischen Ländern!), die Manipulationen durch Hormonpräparate vornehmen (ließen), bereiteten während des Kalten Kriegs einer menschenverachtenden Praxis den Weg, die sich bis heute in abstrakt-technologisierter Form hält: 1968 wurde bei Olympia der "Sextest" eingeführt, bei dem die visuelle Begutachtung der sekundären Geschlechtsmerkmale der Athletinnen von einer "Expertenkommission" durchgeführt wurde. Diese Methode wurde bald durch einen Chromosomentest ersetzt, bei dem sich - wie erwähnt bis heutzutage - alle Teilnehmerinnen ein "Weiblichkeitszertifikat" ausstellen lassen müssen, wenn sie bei Olympia dabei sein wollen.

Medieninteresse

Die Medien als Filter und Verstärker diverser Resentiments reagierten in den 60ern mit abwartendem Interesse auf die Protagonistinnen der Szene, wenige wie Wilma Rudolphs (3-fache Olympiasiegerin 1960) avancierten zu mediengetauften Stars ("Schwarze Gazelle"), nicht weil sie so herausragende sportliche Leistungen erzielten, sondern weil sie den "Beweis der Weiblichkeit" in Form ihres Körpers erbrachte. Andere mussten mit permanenter Kritik für ihre äußere "Vermännlichung" umgehen.
Diese Vorrangigkeit des Interesses der Medien für die "wirklichen Frauen" hält sich bis heute, am Beispiel Anni Friesinger, der Olympiasiegerin 2002 über 1500 m im Eisschnelllauf bestens verdeutlicht. Der Unterschied, ein wichtiger zu damals: Sportberichterstattung ist im Idealfall keine Männerdomäne mehr, was sich zwecks interner Kommunikation im Medium auch auf die Kolportation der Ereignisse niederschlägt.
Die böse Ausnahme bildete hier der ORF bei seiner Olympiaberichterstattung: Nicht eine Kommentatorin vor Ort, eine einzige Reporterin, die das Französische beherrschte, bei Interviews im Einsatz.

Weiter Weg

Mittlerweile werden für Frauen nahezu gleichviele Sportarten bei olympischen Spielen angeboten, jedoch mit wesentlich weniger Wettbewerben. 1984 in Sarajewo lag im Beschluss, die Spiele von 12 auf 16 Tage auszuweiten, die Konsequenz für die Veranstalter nahe, die bis dato vernachlässigten Frauenbewerbe auszubauen.

1998 in Nagano nahmen schon 72 teilnehmende Mannschaften und von 2176 SportlerInnen 788 Frauen teil.

Den 2.708 Sportlerinnen bei der Olympiade in Barcelona 1992 zuvor standen nahezu dreimal so viele Sportler gegenüber.

Bei den Sommerspielen in Atlanta 1996 waren zwar in 21 von 26 Sportarten Frauen vertreten, jedoch konnten sie - neben den 11 gemischten Disziplinen - nur 97 Goldmedaillen gewinnen, die Männer hingegen 163 Stück.

Im Vorfeld zu den Spielen in Atlanta hatten die Pariser Anwältin Linda Weil-Curiel, die Atomphysikerin Annie Sugier und die belgische Parlamentarierin Anne-Marie Lizin das Komitee »Atlanta plus« gegründet, das erreichen wollte, dass das IOC seine eigene Charta ernst nimmt und der anhaltenden Diskriminierung von Frauen im Sport endlich Grenzen setzt - eine Aufgabe, die bei IOC-Präsidenten Rogge liegt, und die in einem überschaubaren System wie Olympia machbar ist.
(bto)