Edered
Da staunen die Velmer und Velmerinnen nicht schlecht. 120 junge Leute aus 20 Nationen tummeln sich auf der Wiese vor dem Seminarhotel Velm, preisen die Spezialitäten ihres jeweiligen Landes an, feilschen, tauschen, bieten belgische Schokolade gegen ungarische Würste. Was bleibt ihnen übrig, als vielleicht einen Apfel aus der Tasche zu kramen und munter mitzutauschen. Das multikulturelle Markttreiben diente als eisbrechender Auftakt zum "Kinder- und Jugendtheatertreffen", das dieses Jahr 20 Kilometer außerhalb von Wien stattfindet.

Treffen mit Tradition

Um interkulturellen Austausch mit den Möglichkeiten des Theaters geht es beim Internationalen Kinder- und Jugendtheatertreffen seit mehr als 20 Jahren. Erstmals übernahm Belgien im Jahr 1982 die Rolle des Gastgeberlandes, drei Jahre später wurde die Organisation EDERED ("European Drama Encounters - Rencontres Européenes de Drama") gegründet, um das Fortbestehens des Treffens auf europäischer Ebene zu garantieren. Die Stadt Wien finanziert das Spektakel nun bereits zum zweiten Mal, die EU unterstützt das Projekt aus dem Topf "Youth for Europe". Jährlich treffen einander Jugendliche oder Kinder aus den internationalen Theaterszenen zum zweiwöchigen Austausch und zu täglichen Workshops. Am Ende der beiden arbeitsintensiven Wochen zeugt eine Schlussperformance von den erarbeiteten Stücken. In Velm liegt der besondere Schwerpunkt in der Vernetzung des "Ostens" mit dem "Westen", die TeilnehmerInnen sind heuer zwischen 18 und 24 Jahren alt.

Philosophie der Auseinandersetzung

Die ENDERED-Philosophie ist leicht erklärt. Mit den Mitteln des Theaters sollen interkulturelle Grenzen überschritten und kreative Prozesse zwischen Jugendlichen in Gang gebracht werden. Was nach harmonischem Schulterschluss klingt, verlangt von den jungen SchauspielerInnen oft übermenschlichen Aufwand. Denn geht es um internationalen Austausch, geht es automatisch auch um Politik. So treffen Jugendliche aus Mazedonien auf ihre kroatischen TheaterkollegInnen und gleichzeitig auf ehemalige Kriegsgegner. Die Erfahrungen von israelischen und österreichischen SchauspielerInnen unterscheiden sich genauso grundlegend wie die von finnischen und mazedonischen. "Das Konfliktpotential ist teilweise groß, doch das Theatertreffen ist ein idealer Boden, um solche Dinge geschehen zu lassen," ist die künstlerische Leiterin Katharina Pongracz überzeugt von der vermittelnden Kraft des Theaters: "Konflikte werden unter Anleitung von neutralen Personen in die Arbeit eingebaut".

Kontakte knüpfen

Eine Arbeit, die von Profis aus der internationalen Theaterszene gesteuert wird. Jeweils zwei Referenten verschiedener Nationalität arbeiteten mit den heterogenen Gruppen anhand ihrer bevorzugten Ausdrucksmittel am Thema "Raum". So reicht die Palette von Capoeira über Stage Fighting bis zum Sprechtheater. Für die StudentInnen nicht nur eine persönliche und professionelle Bereicherung, denn während der beiden Wochen des Theatertreffens werden auch Kontakte für die berufliche Zukunft geknüpft. Ein Kontakt der besonderen Art ergab sich mit dem amerikanischen Regisseur Peter Sellars. Der Star der internationalen Theaterszene beehrte Velm mit seiner Anwesenheit und die JungschauspielerInnen mit einer feurigen Motivationsrede, die die Arbeit der Gruppen nachhaltig beeinflusste.

Schluss-Performance

Am 14. August wird das Ergebnis der zweiwöchigen Arbeit der Öffentlichkeit präsentiert. Acht Gruppen performen im Areal des Museumsquartiers unter freiem Himmel ihre Stücke zum Thema "Space". Was zu erwarten ist? Performances, denen man anmerkt, dass sie aus Diskussionen, Konflikten und Grenzüberwindungen entstanden sind und die einer neuen Verständigung "Raum" geben. (mhe)