Wien - Nach den jüngsten Aussagen von Finanzminister Karl-Heinz Grasser (V) zur Budgetpolitik drängen die Bundesländer auf eine Neuordnung des Stabilitätspaktes im nächsten Finanzausgleich. Der Chefverhandler der Länder, der Wiener Finanzstadtrat Sepp Rieder (S), fordert eine "Abkehr vom Nulldefizit". Stattdessen schlägt Rieder vor, zur Stabilisierung des gesamtstaatlichen Haushalts ein bestimmtes Defizitziel über die Laufzeit des Finanzausgleichs vorzugeben.

Konkret könnte sich Rieder vorstellen, dass Bund, Länder und Gemeinden vereinbaren, das Defizit (heuer voraussichtlich 1,4 Prozent des BIP) bis zum Ende der nächsten Finanzausgleichsperiode auf einen bestimmten Wert zu reduzieren. Der derzeit geltende Stabilitätspakt sieht demgegenüber vor, dass der gesamtstaatliche Haushalt in jedem Jahr ausgeglichen sein sollte, was von Rieder als zu "starr" abgelehnt wird.

Grasser stellte selbst Nulldefizit-Formel in Frage

Auch die Festschreibung eines ausgeglichenen Haushalts über einen Konjunkturzyklus kann sich der Länder-Chefverhandler nicht vorstellen: "Der Konjunkturzyklus ist ein zu unbestimmter Begriff." Grasser hatte am vorigen Wochenende seine Nulldefizit-Formel in Frage gestellt und gemeint, "wenn es ringsum Budgetdefizite gibt, stellt sich schon die Frage, ob Österreich als eines von vielleicht drei oder vier Ländern Überschüsse machen soll".

Weitere Verhandlungen am Montag

Die Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden werden am Montag im Finanzministerium fortgesetzt. Als einen Knackpunkt nennt Rieder die Frage, wer für die Kosten der Steuerreform aufkommen muss. Durch die Steuerreformen des Bundes hätten Länder und Gemeinden geringere Einnahmen von über 700 Mio. Euro zu verschmerzen, für zumindest einen Teil davon müsse der Bund aufkommen, fordert Rieder.

"Ohne ein Zugeständnis des Finanzministers in dieser Frage wird es keine Zustimmung zum Finanzausgleich geben", deponiert der Wiener Vizebürgermeister. Sollte Grasser den Ländern hier entgegen kommen, könnte sich Rieder im Gegenzug die Ausdehnung der Laufzeit des Finanzausgleichs von vier auf sechs Jahre vorstellen.

Arbeitsgruppe soll Sparpotenzial erarbeiten

Ein weiteres Angebot des Länder-Chefverhandlers: Bund, Länder und Gemeinden könnten gemeinsam ein Einsparungspotenzial in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages definieren. Wie dieses Potenzial im Detail lukriert werden kann, soll dann bis Sommer 2005 eine gemeinsame Arbeitsgruppe klären.

Dass der Bund in der vergangenen Finanzausgleichsperiode seine Einnahmen auf Kosten von Ländern und Gemeinden ausgeweitet hat, bestreitet laut Rieder auch das Finanzministerium nicht mehr. Das genaue Ausmaß sei aber noch strittig, sagt Rieder. Der Bund wolle nämlich bestimmte Transferleistungen (etwa für Landeslehrer) in die Finanzmasse der Länder einrechnen. Da die Länder trotz rückläufiger Einnahmen zusätzliche Aufgaben vom Bund übernommen hätten, müsse man wieder zu einem "aufgabenorientierten Finanzausgleich" finden.

Als weiteren Knackpunkt der Finanzausgleichsverhandlungen nennt Rieder die Spitalsfinanzierung, über die man aber noch nicht am Montag verhandeln werde. Die bisher bekannten Pläne von Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (V) würden "außer mehr Planwirtschaft" nichts zur Lösung der Problematik in diesem Bereich beigetragen, kritisiert der Wiener Finanzstadtrat. (APA)