Belgrad/Podgorica - Ein Jahr später als vorgesehen hat das
montenegrinische Parlament beschlossen, die bisherigen Befugnisse der
Militärgerichte auf Zivilgerichte zu übertragen. Die Auflösung der
Militärgerichte ist im Verfassungsrahmen für die Umbildung der
früheren Bundesrepublik Jugoslawien in den serbisch-montenegrinischen
Staatenbund vom März 2002 festgelegt. Eigentlich hätte sie bis
spätestens August 2003 erfolgen sollen. Auch Serbien hat die
Bestimmung noch nicht umgesetzt.
Straferlass
Das montenegrinische Parlament hat am Donnerstag entschieden,
innerhalb von 60 Tagen alle Dokumente von den auf dem Gebiet der
Teilrepublik wirkenden Militärgerichte zu übernehmen. Gleichzeitig
wurde eine Amnestie für alle erlassen, die sich seit dem 7. Oktober
2000 vor dem Präsenzdienst gedrückt haben. Das betrifft laut
Medienberichten rund 3.000 Personen. Mit dem Beschluss des
Straferlasses habe Montenegro zum ersten Mal seit 1918 wieder seine
volle juridische Selbstständigkeit erlangt, berichtet die
Tageszeitung "Danas" am Freitag.
Der Präsident Montenegros, Filip Vujanovic, hat sich erneut gegen
den Weiterbestand des serbisch-montenegrinischen Staatenbundes
ausgesprochen. Es sei unmöglich, einen rationalen Grund für die
Existenz des Staatenbundes zu finden, zumal er ineffizient und teuer
sei. "Warum einigen wir uns nicht auf ein neues Modell einer
Gemeinschaft unabhängiger Staaten, wo die Außen- und
Sicherheitspolitik den autonomen Ländern überlassen ist", meinte
Vujanovic gegenüber der Belgrader Tageszeitung "Vecernje novosti". Er
bekundete seine Hoffnung, dass ein Unabhängigkeitsreferendum in
Montenegro nur einer "Bestätigung für eine Absprache der zwei Staaten
über neue Beziehungen" gleich komme.
Unabhängigkeitsreferendum
Laut dem Belgrader Rahmenabkommen aus dem Jahr 2002 hat
Montenegro, von diesem Zeitpunkt an gerechnet, in drei Jahren (also
2005) das Recht, ein Unabhängigkeitsreferendum durchzuführen. Die
Belgrader Deutung des Abkommens besagt, dass die Dreijahresfrist erst
seit Februar 2003 läuft, als der serbisch-montenegrinische
Staatenbund offiziell ausgerufen wurde. Demgemäß könnte eine
Volksabstimmung frühestens im Frühjahr 2006 erfolgen.
Die Regierungskoalition in Podgorica drängt neuerdings wieder
stärker auf Unabhängigkeit. Serbien und Montenegro sind schon seit
gut einem Jahr nicht in der Lage, ihre Wirtschaftssysteme
wechselseitig anzupassen. (APA)