Langsam werden Rekordzahlen bei Firmengründungen zum alljährlichen Regelfall. Und das ist auch gut so. Viel zu lange waren die bürokratischen Hürden für Jungunternehmer in Österreich viel zu hoch. Diese Barrieren sind mittlerweile weitgehend abgebaut, das Angebot an Gründerinitiativen und -programmen hat sich vervielfacht. Zweifellos wichtige und notwendige Schritte.

Die triste Lage am Arbeitsmarkt tut das Ihre dazu. Heute werden immer mehr Menschen selbständig, die ihre berufliche Zukunft eher in einem Angestelltenverhältnis gesehen hätten. Ihnen ist Respekt zu zollen, denn sie wollen im wahrsten Sinne des Wortes etwas unternehmen. Wenngleich wohl für viele von ihnen gilt: "Halb zog es sie, halb sanken sie hin."

Das Scheitern wird ausgeblendet

Imagekampagnen transportieren Bilder von dynamisch dreinblickenden Neounternehmern: Mit dem Aktenkoffer oder dem Laptop unterm Arm, im Business-Kostüm mit Stöckelschuhen oder im Designeranzug mit Krawatte starten sie los wie Sprinter auf der Aschenbahn. – Der Kampf um den nächsten Auftrag, schlaflose Nächte, in denen immer wieder und wieder kalkuliert wird, wie lange das Geld noch reicht, Gerichtsvollzieher, die frühmorgens gegen die Tür hämmern – dafür fehlen die Gesichter. Geht es ums Scheitern, dann wird die mediale Berichterstattung von atypischen Fällen wie Lugner und Rhettberg dominiert.

Damit kommen wir zur Kehrseite der Medaille: Täglich gehen 25 Firmen pleite, sagt uns die jüngste Insolvenzstatistik. Wie immer aber ist beim Umgang mit Statistiken Vorsicht geboten. Bekanntlich besteht zwischen Zahlenein- und ausgaben ein Zusammenhang. Auffällig ist, dass im ersten Halbjahr 2004 die Zahl der Privatkonkurse sprunghaft um ca 32 Prozent gestiegen ist. Die "nur" 16-prozentige Steigerung im Bereich der Unternehmensinsolvenzen wirkt dagegen fast harmlos. Nicht erwähnt wird, dass inzwischen ca. 30 Prozent jener "Privaten", die von den gemeinnützigen Schuldnerberatungen betreut werden, vormalige Selbständigkeit als Verschuldensgrund angeben. Damit finden wir in der Statistik der Privatkonkurse nicht wenige, die letztlich auf gescheiterte Selbständigkeit zurückzuführen sind. Die Dunkelziffer jener, die irgendwann das Handtuch werfen und jahrelang ihren Schuldenberg abbezahlen, kann man nur erahnen. Tatsache ist: Viele kleine Unternehmen sterben leise und die Statistik zeigt nur die Spitze des Eisbergs.

Bekanntlich ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns in den ersten Jahren am höchsten. Das ist kein Zufall. Gerne werden die Nachzahlungen bei Finanzamt und Sozialversicherungen als Stolperfallen für Jungunternehmer/innen strapaziert. Generell hat das Scheitern aber viele Väter und der Teufel sitzt oft im Detail:

Jungunternehmer/innen und kleine Selbständige sind in Wirklichkeit "Mädchen für Alles": ihre eigene Personal-, Rechts-, Finanz-, Produktions- und Marketingabteilung. Auf Erfahrungswerte kann noch nicht zurückgegriffen werden. Gleichzeitig verstellt gerade Gründern der in dieser Phase notwendige Optimismus häufig den Blick auf Risiken und Gefahrenherde.

Teufelskreis

Ist der Gewerbeschein erst einmal gelöst, dann wird guter Rat teuer – und der Griff in die eigene Tasche häufig zum Auslöser eines Teufelskreises. Denn je leerer die Taschen, umso dringender wäre Rat nötig. Geförderte Beratungen, wie sie von den WIFIs angeboten werden, sind hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Erst am anderen Ende des Bogens ist kostenlose Beratung für in Not geratene Selbständige wieder vorhanden – dann nämlich, wenn sie wieder als "Private" die gemeinnützigen Schuldnerberatungen beanspruchen können. Dazwischen klafft eine viel zu breite Lücke, die besonders Jungunternehmen und Kleinstbetrieben zu schaffen macht. Bedenkt man, dass mehr als 80 Prozent der österreichischen Betriebe eine bis neun Personen beschäftigen, dürfte auch klar sein, dass wir hier nicht von einer Randgruppe sprechen.

Bestandssicherung, aber auch Begleitung beim geordneten Ausstieg müssen ähnliche Aufmerksamkeit erhalten wie die Bemühungen um Neugründung. Schließlich bedeutet jedes Scheitern nicht nur unbefriedigte Gläubiger und zerstörte Existenzen, sondern schadet letztlich auch dem Image der Selbständigkeit. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.7.2004)