Salzburg – Die Auftaktpremiere des Schauspielprogramms der Salzburger Festspiele, Hugo von Hofmannsthals "Jedermann", fand am Samstag Nachmittag unter Dach statt. Das lag aber nicht daran, dass die lang ersehnte Überdachung des Domplatzes, von Festspielintendant Peter Ruzicka liebevoll "Regenschirm" genannt, bereits heuer verwirklicht worden wäre, sondern eben an der Witterungsabhängigkeit des traditionellen Open Air-Spielortes. Bei Schlechtwetter wird wie bisher im Großen Festspielhaus gespielt. Und dort gab es nun die zweite Reprise der Inszenierung von Christian Stückl aus dem Jahr 2002 – mit fast unveränderter Besetzung, doch ohne Originalschauplatz-Flair.

Vorgestellter Dom

Ausgerechnet der Bayer Stückl musste vor der Premiere verkünden, dass eine aus Bayern herannahende Regenfront die Verlegung erzwungen habe (eine weise Entscheidung, wie sich herausstellte). Er bat alle, die Augen zu schließen und sich den Dom vorzustellen, und versprach: "Die Schauspieler geben das Doppelte!" Das war schon deswegen angeraten, weil auf der fast leeren Bühne das Fehlen der Atmosphäre automatisch einen viel stärkeren Fokus auf die Darstellungskunst ergab. Was mancher mit Gewinn zu nutzen verstand.

Harmlose religiöse Darstellung

Peter Simonischek, der sonst den Domplatz als mächtig auftrumpfender Lebemann zu beherrschen weiß, schien bei der Indoor-Variante ein wenig Dampf abgelassen zu haben, was der Figur des Jedermanns nur gut tat. Dass seine religiösen Erscheinungen in dieser Umgebung etwas harmlos wirken, dafür kann er nichts. Am meisten profitierten Jens Harzer und Tobias Moretti vom Purismus der Aufführung, der das Holzschnittartige der Figuren in diesem Totentanz noch stärker hervorhebt. Harzer gibt einen eiskalten, silbrig-grau abfärbenden und buchstäblich nackten Tod, Moretti einen schleimig-hinterfotzigen Guten Gesellen und einen derben, bocksbeinigen Teufel – eine Besetzungsdopplung, die erneut ihre Schlüssigkeit beweist. Buhlschaft Veronica Ferres zeigt wie stets viel Bein und Busen, auch ihre pralle Fröhlichkeit wirkt hier, unter Theaterscheinwerfern statt im Licht der Abendsonne, ein wenig deplatziert.

Heuer spielt (nach Hans-Michael Rehberg und Peter Fitz) Rudolf Wessely den lieben Gott, der zunächst als jüdischer armer Nachbar verjagt wird, ehe er seine Macht zeigt – er legt ihn ziemlich grantelnd an, kein Gott, mit dem gut Kirschen essen ist. Das scheint Elisabeth Schwarz, die als Glaube neu im Ensemble ist (nach Sunnyi Melles und Uli Maier), keineswegs zu stören. So verklärt und geradezu überirdisch abgehoben ist ihre Klosterschwester, als gelte es die halbe Menschheit zum rechten Glauben zu bekehren, und nicht etwa nur einen reichen Mann, bei dem ein bisschen Zauber schon genügt, ihn auf den rechten Pfad zurückzuführen.

Große Nachfrage

Für die "Jedermann"-Aufführungen (darunter vier Abend-Vorstellungen) war die Nachfrage heuer fast vier Mal so groß wie das Kartenangebot, hatte es im Vorfeld geheißen. Man versteht, warum die Festspiele ihren Domplatz-"Regenschirm" so dringend benötigen. Neben der ersehnten Möglichkeit, das Große Festspielhaus nicht länger als Ausweichquartier freihalten zu müssen, kann nur so die "Jedermann"-Cash Cow gründlicher gemolken werden. Denn in den bisher mehr als 500 Aufführungen hat der Mammon zwar noch jedes Mal brav das Feld geräumt. Als Gespenst im Nacken der Festspielmacher hat er sich aber nie verabschiedet. (APA)