Wien - Mit einer speziellen Beobachtungsmethode ist es Physikern der Universität Innsbruck und des Akademie-Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) um Rudolf Grimm gelungen, erstmals die Suprafluidität von so genannten Fermi-Kondensaten nachzuweisen.

Die Ergebnisse sind nicht nur für die Grundlagenforschung von Bedeutung, auch für Ingenieure und Technologen ist der Zustand der Suprafluidität, in dem etwa Flüssigkeiten ohne jeden Reibungsverlust fließen, höchst interessant. Die Ergebnisse der Studie sind in der jüngsten Ausgabe der Wissenschaftszeitschrift "Science" veröffentlicht.

Identitätsverlust am Nullpunkt

Die Untersuchungen drehen sich rund um das Phänomen des so genannten Bose-Einstein-Kondensats (BEC). Bereits zu Beginn des vorigen Jahrhunderts vorhergesagt, konnte es vor knapp zehn Jahren erstmals im Experiment an Rubidiumgas nachgewiesen werden. Im Zustand des BEC verlieren Teilchen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt quasi ihre Identität und beginnen im Gleichmarsch zu funktionieren. Auch bewegen sich die Teilchen wie ein einziges völlig widerstandslos, also ohne Reibung. BEC wird als völlig eigener Zustand der Materie - neben gasförmig, fest oder flüssig - angesehen.

Normalerweise erreichen nur Bosonen BEC

Allerdings kann BEC nur mit Bosonen erreicht werden. Mit Fermionen gelingt das prinzipiell nicht. Diese beiden Teilchen-Gruppen unterscheiden sich durch den so genannten Spin. Nach einem quantenmechanischen Gesetz können sich nicht zwei oder mehr Fermionen auf dem gleichen Energieniveau befinden (Pauli-Prinzip) und beim BEC befinden sich alle Teilchen im niedrigsten Energieniveau.

Bosonen sind Teilchen oder auch Atome mit "ganzzahligem Spin" oder anders ausgedrückt: Sie setzen sich aus einer geraden Zahl von Protonen, Neutronen und Elektronen zusammen. Bosonen, die auch gerne von Experimentalphysikern verwendet werden, sind beispielsweise Heliumatome und Heliumkerne. Die Gegenstücke zu den Bosonen sind Fermionen, diese besitzen dementsprechend eine ungerade Zahl dieser Teilchen. Einzelne Protonen, Neutronen und Elektronen sind demnach stets Fermionen.

Paarweise Moleküle aus fermionischem Gas

Mit einem Trick schaffte Grimm mit seinen Mitarbeitern im Vorjahr aber das eigentlich Verbotene, die Forscher verhalfen nämlich Fermionen in den Zustand des BEC. Die Erklärung für das Experiment ist - jedenfalls im Prinzip - relativ einfach: Die Physiker erzeugen aus einem fermionischen Gas aus Lithium-6-Atomen (drei Protonen, drei Neutronen, drei Elektronen) paarweise Moleküle und somit bosonische Teilchen, weil aus zwei Teilchen mit halbzahligen Spin ein Molekül mit ganzzahligen Spin wird. Mittels Variation der Stärke eines Magnetfeldes kann die Umwandlung in Fermi-Kondensate wie mit einem Drehschalter gesteuert werden.

Doch das war erst der Anfang. Nun geht es darum, die Dinge genau zu studieren. Zwischen den Teilchen laufen nämlich komplexe Vorgänge ab. Um sichtbar machen zu können, was im Detail passiert, sendeten die Wissenschafter einen etwa eine Sekunde dauernden Radiofrequenz-Impuls auf das Kondensat. Damit wird der Spin der Teilchen zum Flippen gebracht - wie es im Laborjargon heißt. Tatsächlich handelt es sich um eine Art Anregung.

Indizien für Suprafluidität

Anschließend wird die Sache mit einem kurzen Laser-Impuls beleuchtet und das Ergebnis mit einer empfindlichen Kamera aufgezeichnet. Je nach Bindungszustand liefern die Teilchen unterschiedliche Ergebnisse. "Dabei erhielten wir aus unseren Messungen eindeutige Indizien für die Suprafluidität des Fermi-Kondensats, die damit erstmals als bewiesen angesehen werden kann", zeigt sich Grimm überzeugt. Er hofft als nächsten großen Schritt, die suprafluiden Strömungen direkt beobachten zu können.

Die Untersuchungen sind nicht nur für die Grundlagenforscher höchst interessant. Man erhofft sich auch neue Erkenntnisse über Superfluidität, bei der etwa Flüssigkeiten ohne jegliche Reibung strömen und Supraleitung, bei der elektrischer Strom ohne Widerstand fließt. (Apa)