Heidelberg - Einen möglichen Behandlungsansatz gegen das bisher nicht behandelbare sehr bösartige Glioblastom, einen Hirntumor, haben Heidelberger Forscher gefunden: Durch die Injektion von speziellen Viren in den Tumor sollen die Krebszellen abgetötet und das Wachstum gestoppt werden. Die Wissenschaftlergruppe aus dem Universitätsklinikum und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) hat jetzt nachgewiesen, dass normalerweise harmlose Parvoviren in Kulturen von Hirntumorzellen zerstörerische Wirkung entfalten, berichtet das Heidelberger Universitätsklinikum.

Bisher waren die Erfolgschancen der Behandlung minimal, da weder Operation noch Chemotherapie oder Bestrahlung das rapide Wachstum des Glioblastoms verhindern können. Das Glioblastom geht von Gliazellen, den Stützzellen des Gehirns, aus. Der Tumor kann nur dann operativ entfernt werden, wenn dadurch keine schweren Schäden im benachbarten gesunden Hirngewebe gesetzt werden. Aber auch nach einer Operation bleiben fast immer Tumorzellen zurück und nehmen ihr rapides Wachstum rasch wieder auf. Auch eine zusätzliche Chemo- oder Strahlentherapie verhindert dies nicht. Zurzeit überleben nur 50 Prozent der Patienten das erste Jahr.

Tumorzellen sollen abgetötet werden

Parvoviren könnten zu einer wirksamen Waffe gegen den gefährlichen Tumor werden, denn sie verfügen über besondere Fähigkeiten: Die winzigen, hüllenlosen Erreger können sich in Tumorzellen vermehren und diese abtöten. Karsten Geletneky und sein Forscherteam beschäftigen sich mit einem bestimmten Typ der Parvoviren, die vor allem Nagetiere befallen, dem H-1 Virus.

Nun konnten die Wissenschaftler erstmals zeigen, dass die zerstörerische Wirkung des H-1 Virus besonders ausgeprägt in Zellen bösartiger Hirntumoren auftritt und bereits eine geringe "Virendosis" dafür ausreichend ist. "Die Viren beginnen bereits innerhalb von 24 Stunden mit ihrer Vermehrung und töten die Tumorzellen rasch ab", erklärt Geletneky. Warum die Viren als Zellkiller agieren, ist nicht klar, hängt möglicherweise aber mit einem bestimmten viralen Eiweißstoff, dem NS-1 Protein, zusammen.

Forschungsziel: Klinischer Test

Das weitere Forschungsziel ist nun der klinische Test bei Patienten. Dabei sollen die Viren zielgerichtet direkt in den Hirntumor injiziert werden. "Der Vorteil einer Anwendung bei Glioblastomen ist, dass die Tumorerkrankung im Gegensatz zu anderen Tumoren, bei denen Parvoviren ebenfalls untersucht werden, fast immer auf das Gehirn beschränkt ist", so Geletneky. Die Viren können daher in hoher Dosierung direkt an den Ort der Erkrankung gebracht werden. Die Forscher wollen aber auch andere Virusvarianten untersuchen: so etwa Parvoviren, in deren Erbgut spezielle Gene eingeschleust wurden, die eine Immunantwort gegen die Krebszellen auslösen oder einen Giftstoff produzieren, der die Zelle abtötet. Dazu müssen die Wissenschaftler aber erst feststellen, ob die Viren dem Patienten schaden können. "In Tierversuchen haben die ins Gehirn injizierten Viren bislang keinerlei entzündliche oder toxische Reaktion hervorgerufen", berichtet Geletneky. (pte)