Angriff keine Überraschung
Nun wirft der Endbericht der parteiübergreifen 9/11-Kommission der amtierenden Regierung von George W. Bush und ihrer Vorgängerin unter Bill Clinton aber genau das vor: Dass sie Hinweise gehabt haben könnten, auf das, was kommen würde, wenn sie nur besser auf die drohende Gefahr von Terroristenangriffen reagiert hätten. Die Anschläge vom 11. September sollten die USA nicht überrascht haben, heißt es.
Vor direkten Schuldzuweisungen scheut der Bericht jedoch zurück. Sowohl Bush als auch Clinton hätten die Bedrohung durch das Terrornetzwerk Al-Kaida und Osama Bin Laden zwar ernst genommen, heißt es in dem Bericht. Es habe beiden Regierungen aber an entsprechendem Vorstellungsvermögen, vor allem aber an der nötigen Koordination der einzelnen Geheimdienste gemangelt.
Kein Urteil über mögliche Vermeidung
Entgegen anders lautenden vorherigen Gerüchten fällt der Bericht kein Urteil darüber, ob man die Attacken abwenden hätte können, zwischen den Zeilen geht jedoch hervor, dass dies mit viel Glück möglich gewesen wäre, wenn jemand alle zur Verfügung stehenden Teile dieses Puzzles in der richtigen Weise zusammengefügt hätte.
Die zehnköpfige Kommission, fünf Republikaner und fünf Demokraten, hatte 20 Monate lang die Vorgeschichte der Anschläge vom 11. September 2001 geprüft und war von Anfang an bestrebt gewesen, einen einstimmigen Bericht über Fehler in der Vergangenheit sowie Empfehlungen für die Zukunft abzugeben. Der Bericht enthält unter anderem eine Liste von zehn "verpassten Gelegenheiten", vier davon während der acht Jahre der Clinton-Regierung, sechs weitere während der ersten acht Monate unter Bush. Das Versäumnis der CIA, zwei Namen von Attentätern auf eine Terrorismuswatchlist zu setzen, gehört dazu, und die Handhabung der Verhaftung von Zacarias Moussaoui durch das FBI. Es sei den Terroristen möglich gewesen, "tief gehende institutionelle Schwächen innerhalb der Regierung" auszunützen.
Geheimdienste versagten
Besonders hervorgehoben wird das Versagen der verschiedenen Geheimdienste, sich gegenseitig mit relevanten Informationen zu versorgen. Umfassende Umstrukturierungen werden empfohlen, insbesondere bei der CIA, nur zum Teil beim FBI; der Umbau der Bundespolizei, so, wie er von FBI-Chef Robert Mueller begonnen wurde, sei auf dem richtigen Weg, sagte etwa der demokratische Kongressabgeordnete Jim Turner.
Die Kommission hält die Schaffung eines eigenen inneramerikanischen Geheimdienstes nach dem Muster der britischen MI-5 nicht für notwendig, schlägt jedoch die Schaffung eines Anti-Terror-Zentrums vor, dessen Leiter alle 15 Geheimdienste koordinieren könnte. Ein solcher Posten sollte zwar auf Regierungsebene agieren können, es müsste dafür allerdings kein eigener Ministerposten geschaffen werden. Bereits vor Erscheinen des Berichtes hatte sich der amtierende Direktor der CIA, John McLaughlin, gegen eine derartige Maßnahme ausgesprochen, und es wird erwartet, dass sich auch andere Geheimdienste gegen eine Beschränkung ihrer bisherigen Macht wehren werden.
Kritik am US-Kongress
Doch auch der US-Kongress kommt nicht ungeschoren davon: Der Bericht kritisiert den Kongress, weil dieser seine verfassungsmäßige Rolle als Aufsichtsbehörde während der Verhaftungen nach dem 11. September zu wenig ausgeübt habe. Die Kommission gibt eine Reihe von Empfehlungen zur Verbesserung dieser Situation ab, darunter etwa die Zusammenlegung der Geheimdienstausschüsse des Senats und des Repräsentantenhauses.
Auch der umstrittene Umgang der Regierung Bush mit Gefangenen des Al-Kaida-Netzwerks wird gerügt: Die Kommission schlägt vor, sich Artikel 3 der Genfer Konventionen genauer anzusehen, der spezifisch für "jene Fälle, in denen herkömmliche Gesetze nicht anwendbar sind", geschaffen wurde.