Das UN-Votum gegen Israels Sperranlage hat einen üblen Beigeschmack, der von verschiedenen Ingredenzien kommt. Zunächst sieht es wie ein neuer Fall einer automatischen Verurteilung durch eine Körperschaft mit einem eingebauten Grundproblem aus: die UN-Vollversammlung hat zwar eine demokratische Form - ein Land, eine Stimme - , doch die Mitgliedstaaten, die da Zensuren verteilen, sind in ihrer großen Mehrheit nicht gerade Leuchten der Demokratie und der Menschenrechte. Zum Teil sind einige sogar Sponsoren eben des Terrors, dessen Bekämpfung hier zur Debatte stand.

Zudem ist es nun einmal ein Faktum, dass die Barriere Menschenleben rettet - Leben von Israelis, weil die Selbstmordterroristen kaum mehr durchkommen, und Leben von Palästinensern, weil damit auch die Militäroperationen seltener werden. Die deutliche Beruhigung des Konflikts über die letzten Monate ist auf die Barriere zurückzuführen.

Andererseits wird die Bewegungsfreiheit vieler Palästinenser schwer eingeschränkt - aber darf man in diesem tiefen moralischen Dilemma so salopp dekretieren, dass Lebensqualität mehr wiegt ist als das Leben selbst?

Vor allem sieht das Rechtsgutachten, auf dem die Resolution fußt, an der globalen Realität vorbei. Den Haager Richtern zufolge kann Israel nicht auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta pochen. Dieser Artikel würde nämlich nur "für den Fall eines bewaffneten Angriffs eines Staates auf einen anderen Staat" gelten.

So gesehen hätte kein Staat ein Recht auf Selbstverteidigung etwa gegen Al Kaida, weil die, obwohl weltweit operierend, eben auch kein Staat ist, und das darf doch nicht wahr sein.

Straf- und Zivilgesetze werden ständig geändert, damit sie brauchbar bleiben. Wenn das Völkerrecht wirklich verbietet, dass Leben gerettet werden, dann gehört es dringend reformiert. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.7.2004)