Straßburg/Istanbul - Europa darf sich nach Ansicht des EU-Ratsvorsitzenden und niederländischen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende in der Frage des EU-Beitritts der Türkei nicht durch Angst vor dem Islam leiten lassen. "Der Islam ist nicht das Problem. Moslems, Christen und Menschen anderen Überzeugungen können ganz gut miteinander auskommen", sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung des niederländischen Vorsitzprogramms vor dem EU-Parlament in Straßburg.

Der Widerstand sollte sich nicht gegen eine Religion richten, sondern gegen Gruppen, die diese missbrauchten, betonte der amtierende EU-Ratspräsident. "Das Problem ist nicht die Religion, sondern der Missbrauch der Religion, um Hass und Intoleranz zu säen und Frauen zu unterdrücken."

Entscheidung im Dezember

Die EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden im Dezember auf Grundlage eines Berichts der EU-Kommission über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Balkenende betonte, der Beschluss müsse "fair" zu Stande kommen. Grundlage dafür seien wie 2002 vereinbart die Kopenhagener Kriterien, aber "wird dürften keine neuen Bedingungen aufstellen".

Deutschland für vorbehaltlosen Beitritt

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat einem Zeitungsbericht zufolge bestritten, dass er bei der Entscheidung der EU über Beitrittsverhandlungen mit der Türkei für ein "konditioniertes Ja" eintritt. Deutschland unterstütze das Ziel der türkischen Mitgliedschaft vorbehaltlos, zitierte die Istanbuler Zeitung "Zaman" am Mittwoch den Kanzler. Letzte Woche hatte Schröder in einem Zeitungsinterview gesagt, es werde vielleicht "ein konditioniertes Ja" der EU für die Türkei geben, wenn die EU-Kommission dies empfehle. Das bedeute, dass die Beitrittsgespräche mit der Türkei nicht unmittelbar beginnen müssten.

Schröders Äußerung hatte in der Türkei für erheblichen Wirbel gesorgt, weil Ankara die rot-grüne Bundesregierung als treuen Verbündeten beim Streben nach baldigen Beitrittsgesprächen betrachtet. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan erklärte am Rande seines Besuchs in Frankreich, ein "konditioniertes Ja" der EU komme für sein Land nicht in Frage. Laut "Zaman" sagte der Kanzler nun, er sei falsch verstanden worden. An der deutschen Unterstützung für das türkische EU-Streben habe sich nichts geändert und werde sich auch nichts ändern. (APA)