Was ihre Zukunft betrifft, geht es Europas Börsen wie den Fluggesellschaften. Zwei oder drei große Player werden übrig bleiben, aber die Konsolidierung ist ein zäher Prozess. Nach längerer Pause scheint nun wieder etwas Bewegung in die Szenerie zu kommen.

In einem Brief hat die Deutsche Börse AG ihr Schweizer Pendant, die Swiss Exchange (SWX), zu Gesprächen über eine "vertiefte Partnerschaft" eingeladen. Zwar gibt man sich in Zürich zurückhaltend und will die Einladung erst einmal "prüfen". In Finanzkreisen ist man jedoch überzeugt, die Deutschen seien an einer Fusion interessiert. Die Deutsche und die Schweizer Börse arbeiten seit Jahren als Eigentümer der weltweit führenden Terminbörse Eurex zusammen, wobei die Frankfurter als dominanter Partner 80 Prozent der Gewinne kassieren.

Gemeinsam ist den beiden Börsen auch, dass sie in den vergangenen Jahren mit Expansionsabsichten Schiffbruch erlitten. Im Jahr 2000 kam die Fusion zwischen den Börsenplätzen Frankfurt und London, mit notierten Titeln im Wert von zwei Billionen Euro die europäische Nummer eins, nicht zustande. Bemühungen, mit anderen, mittelgroßen Börsen zu kooperieren, scheiterten. So hat die Deutsche Börse zwar eine starke Stellung in Europa, unter anderem weil sie alle Ebenen des Börsengeschehens, vom Handel bis zum Clearing und Settlement, in einer Hand vereint; strategisch allerdings ist sie isoliert.

Die SWX wiederum verlagerte vor vier Jahren den Handel mit den Schweizer Standardwerten an die von ihr gegründete elektronische Handelsplattform Virt-x. Sie hoffte, dank ihres technisch starken Handelssystems andere europäische Blue Chips anzulocken. Der einzige Effekt war, dass die Schweizer Aktien unter Umgehung der eidgenössischen Stempelsteuer nun in London gehandelt wurden. Ein Zusammenschluss brächte klare Kostenvorteile. Je mehr Transaktionen auf einer einzigen Plattform abgewickelt werden, desto preiswerter wird es für die Kunden.

Euronext in Sichtweite

Mit einer Fusion würde die deutsch-schweizerische Börse zu ihrem wichtigsten Konkurrenten Euronext aufschließen. An dem Gemeinschaftsprojekt der Börsen Paris, Lissabon, Brüssel, Amsterdam und London (Liffe) sind Unternehmen mit einem Marktwert von 1,5 Billionen Euro vertreten. Dass es tatsächlich zu einer Fusion kommt, ist aber längst nicht ausgemacht. Im Gegensatz zu Frankfurt ist die SWX selbst nicht börsennotiert, sondern ein Verein mit 55 Banken als Mitglieder.

Viele von ihnen möchten nicht auf einen eigenen Börsenplatz verzichten. Von den Großbanken UBS und Credit Suisse kommen indes, laut Neue Zürcher Zeitung, positive Signale. Vielleicht helfen auch die persönlichen Bande: Der Schweizer SWX-Chef Reto Francioni war in Frankfurt an der Börsenspitze lange Zeit zweiter Mann hinter seinem Landsmann Werner Seifert. (DER STANDARD Printausgabe 21.07.2004)