Berlin/Brüssel - Das deutsche Innenministerium hat den Vorschlag von Minister Otto Schily verteidigt, Auffanglager für Flüchtlinge in Nordafrika einzurichten. Die Kritik von Grünen, Kirchen und Flüchtlingsorganisationen wies Sprecher Rainer Lingenthal am Mittwoch zurück. Er wies darauf hin, dass jedes Jahr Tausende Flüchtlinge bei dem Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, ums Leben kämen. Dies sei nicht länger hinnehmbar: "Die Politik ist aufgefordert, dieses Karussell des Elends zu durchbrechen."

Lingenthal versicherte, es sei selbstverständlich, dass den Flüchtlingen in den Asyllagern ein rechtstaatliches Verfahren "in absoluter Sicherheit" gewährleistet werde. Um dies sicher zu stellen, solle die EU internationale Abkommen mit nordafrikanischen Transitländern schließen. Bevor die Auffanglager eingerichtet würde, müsse klar sein, dass dort die Genfer Flüchtlingskonvention ohne Abstriche angewendet werde. "Sonst wird es das nicht geben."

Heftiger Widerspruch auch bei den Grünen

Schily hatte den umstrittenen Vorschlag am Montag im Rat der EU-Innen- und Justizminister unterbreitet. Damit löste er nicht nur bei Kirchen und Menschenrechtsorganisationen, sondern auch beim Koalitionspartner heftigen Widerspruch aus. Grünen-Chefin Angelika Beer erklärte, dass Deutschland einen ähnlichen Vorschlag Großbritanniens bereits klar zurückgewiesen habe.

Lingenthal wies allerdings darauf hin, dass sich Schilys Konzept nicht mit dem Vorschlag der britischen Regierung decke, den die EU-Mitgliedstaaten 2003 in Thessaloniki verworfen hatten. Dieser hatte vorgesehen, auch Asylbewerber, die sich bereits in der EU befinden, für die Dauer des Asylverfahrens in Schutzlager außerhalb der Europäischen Union zu bringen.

Beratungen der Kommission erwartet

Dies sehe Schily ausdrücklich nicht vor, betonte Lingenthal. Ihm gehe es vielmehr darum, dass Flüchtlinge, die noch auf dem Weg nach Europa seien, in Auffanglager gebracht würden, bevor sie das Mittelmeer erreicht hätten. Wer in diesen Lagern nach welchem Recht das Asylverfahren durchführen solle, müsse - ebenso wie viele andere Fragen - noch geklärt werden. Schily erwarte, dass die EU-Kommission darüber berate und entsprechende Vorschläge mache. Wenn sich im EU-Rat eine Mehrheit dafür finde, könnten mit den Transitländern Verhandlungen aufgenommen werden.

Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg wies darauf hin, dass Diskussionen über Auffanglager für Flüchtlinge schon länger geführt werden, unter anderem beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Er betonte, dass es in dieser Debatte "keinen Dissens" zwischen der Bundesregierung und Schily gebe. Eine Festlegung innerhalb der Regierung gebe es aber noch nicht.

Auch das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen hatte der EU bereits zentrale Aufnahmezentren vorgeschlagen. Diese sollen jedoch innerhalb der europäischen Grenzen liegen und europäische Asylstandards erfüllen.

Ablehnung in Brüssel

Der Vorstoß Schilys widerspricht nach Auffassung der Europäischen Kommission früheren EU-Beschlüssen. "Es war eine Entscheidung der Staats- und Regierungschefs, dieses Arbeitsfeld wieder aufzugeben", sagte der Sprecher von EU-Justizkommissar Antonio Vitorino am Dienstag in Brüssel. Seit dem EU-Gipfel von Thessaloniki im Juni 2003 habe sich die Brüssler Behörde deshalb mit dem Thema nicht mehr befasst.

Große Skepsis

Ursprünglich hatte Großbritannien die Schaffung von Zentren für Asylbewerber mit Ziel Europa außerhalb der EU-Grenzen gefordert. "Die Idee der Briten war es, in sicheren Drittländern geschützte Zonen für Asylbewerber zu schaffen, eventuell mit Unterstützung des UNO-Flüchtlingshilfswerks", sagte Vitorino-Sprecher Pietro Petrucci. Bei einer ersten Debatte der EU-Innenminister im griechischen Veria Anfang 2003 stieß der Plan auf große Skepsis. Wenige Monate später setzten die Staats- und Regierungschefs dem Thema ein Ende.

"Die Kommission hat noch nicht an der Sache gearbeitet", sagte der Vitorino-Sprecher. "Falls Deutschland schon daran gearbeitet hat, wollen wir das gerne berücksichtigen." Es sei möglich, die Idee wieder in die Arbeiten des Rates einzuspeisen. Petrucci erinnerte zugleich daran, dass auch das britische Vorhaben eines Pilotprojekts für sein Asyllager auf dem Balkan im Sande verlaufen sei. Kritiker solcher Pläne erwarten wenig Bereitschaft von Drittländern, solche Auffangzentren auf ihrem Staatsgebiet einzurichten. (APA/dpa/AP)