Wien - Entgegen der weit verbreiteten Meinung dürfte die so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID) in bestimmten Fällen durch die herrschende Gesetzeslage in Österreich erlaubt sein. Zu dieser einhelligen Meinung haben sich die 19 Mitglieder der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt in einem am Montag in Wien präsentierten Positionspapier zur PID durchgerungen. Allerdings, so betonte Kommissions-Vorsitzender und Reproduktionmediziner Johannes Huber (AKH Wien), sei dies die Ansicht eines Beratungsgremiums. Eine "Wortspende der Juristen" - idealerweise aus dem zuständigen Justizministerium - wäre wünschenswert.

Die PID betrifft bzw. beträfe ausschließlich Embryonen, die durch künstliche Befruchtung außerhalb des Mutterleibes gezeugt werden. Noch bevor ein Embryo einer Frau eingepflanzt wird, kann er etwa auf bestimmte, in der Erbsubstanz ablesbare Erkrankungen untersucht werden. Andererseits werden aber auch immer mehr Gene entdeckt werden, die für bestimmte Körpermerkmale oder sogar Verhaltensweisen eines Menschen verantwortlich sind. Kritiker fürchten daher, dass mit der PID schon bald auch "Designerbabies" - etwa mit bestimmter Augenfarbe oder mit bestimmten spätere Verhaltensweisen oder Fähigkeiten - kreiert werden könnten.

Prozess der Meinungsbildung

Die Bioethikkommission hat sich im vergangenen Jahr intensiv mit dieser Thematik befasst und dabei auch die herrschende Gesetzeslage analysiert. "Schon das geltende Fortpflanzungsmedizingesetz erlaubt - nach Meinung namhafter Rechtswissenschafter - eine Untersuchung und Behandlung so genannter entwicklungsfähiger Zellen insoweit, als dies nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist", stellen die Kommissionsmitglieder fest. Mit anderen Worten, eine PID wäre dann zulässig, wenn es um Krankheiten oder Defekte des Embryos geht, die mit einer Schwangerschaft nicht vereinbar sind, präzisierte Huber. Praktiziert wird die PID in Österreich bisher nicht.

Sieben Mitglieder der Bioethikkommission haben sich im Positionspapier für die Beibehaltung dieser gesetzlichen Regelung ausgesprochen. Die Mehrheit, nämlich zwölf Mitglieder, plädieren dagegen für eine Ausweitung der Möglichkeiten, eine PID durchzuführen. So sollte eine derartige Untersuchung dann erlaubt werden, wenn Paare ein hohes Risiko aufweisen, ein Kind mit schwerer genetisch bedingten Erkrankung zu bekommen. Die Entscheidung über die Durchführung einer PID sollte von Fall zu Fall entschieden werden, ein generelles Screening wird abgelehnt.

Keine Designerbabies erwünscht

Einig sind sich die Kommissionsmitglieder in der Ablehnung von "Designerbabies". Eine "positive Selektion von gewünschten Merkmalen" sei entschieden abzulehnen. Ein entsprechender Absatz im Bericht der Kommission wurde von allen 19 Experten unterzeichnet. Eine uneingeschränkte Zulassung der PID werde keinesfalls befürwortet. Aber auch ein Totalverbot der PID wird seitens aller Mitglieder des Gremiums abgelehnt. Ein derartiges Totalverbot sei weder ethisch noch rechtlich gerechtfertigt.

Info-Folder

Eine Zusammenfassung ethischer Argumente - pro wie contra - bezüglich der Präimplantationsdiagnostik (PID) verspricht ein neuer Folder der Plattform "dialog<>gentechnik". Eine Gesamtbewertung soll dabei nicht gegeben werden, vielmehr sind die ethischen Argumente von 15 Experten - Vertreter von Ärztekammer, Behindertenverbänden, Ethik, Medizin, Philosophie, Recht, Selbsthilfegruppen, Theologie und Wissenschaft - dargestellt, heißt es in einer Aussendung am Montag.

Welche ethischen Fragestellungen würden sich bei einem Verbot, welche aus einer Zulassung der PID ergeben? Durch ein Verbot würden mögliche Chancen auf Heilung und auf gesunde Kinder in Familien mit schwerer Erbkrankheit eingeschränkt. Gleichzeitig würde eine Zulassung die Möglichkeit enthalten, eine Auswahl nach Behinderung, Geschlecht, körperliche Auffälligkeiten oder Eignung als Organspender zu treffen. "Der derzeitige Hauptzweck der PID - Selektion - kann daher ethisch von erwünscht bis äußerst bedenklich beurteilt werden", so die Experten.

Schleusenöffnung?

Der Arbeitskreis war sich im Folgenden einig: Es sei eine prinzipiell sinnvolle Anwendung der PID, nach einer künstlichen Befruchtung nur entwicklungsfähige Embryonen in die Gebärmutter einzusetzen. Eine Zulassung der PID würde jedoch auch die Gefahr der Schleusenöffnung beinhalten, es müssten Kriterien der Auswahl festgelegt werden. Offen sei auch die Frage der Verantwortung und Haftung.

"dialog gentechnik", ist ein öffentlich finanzierter, unabhängiger Verein, der sich nach eigenem Verständnis der "sachlich fundierten Dialog über Biowissenschaften" verschrieben hat. Seine Mitglieder sind österreichische wissenschaftliche Gesellschaften. (APA)