Ernst Strasser: "Für das Außenamt stünde ich nicht zur Verfügung."

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Innenminister Ernst Strasser spricht über Unsicherheiten und Sicherheiten in seinem politischen Leben. Sicher ist er sich, dass er nicht Außenminister werden will, sagte er Barbara Tóth.

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STANDARD: Herr Minister, sperren Sie immer Ihre Wohnung zu?

Strasser: Immer.

STANDARD: Wurde Ihnen schon einmal etwas gestohlen?

Strasser: Vielleicht im Kindergarten. Ein Eislutscher.

STANDARD: Das Innenministerium wird renoviert, vor Ihrem Bürofenster steht ein Baugerüst. Das ist eine Einladung an Einbrecher, wie wir seit dem Saliera-Raub wissen.

Strasser: Wir haben hier kein Salzfässchen. Mein Büro ist ein Kommunikationsbüro und kein Archiv. Alles, was wichtig ist, ist in meinem Laptop - den habe ich immer dabei.

STANDARD: Die Kriminalstatistik steigt. Ist Österreich durch die Erweiterung unsicherer geworden?

Strasser: Sicherer. Das ist importierte Kriminalität aus Georgien, Moldawien, Ukraine. Wir haben mit großem Erfolg die rumänischen Kriminellen in den Griff bekommen. Da gibt es Rückgänge von knapp sechs Prozent. Bei den neuen Mitgliedsländern sind es zum Teil über zehn Prozent.

STANDARD: Die subjektive Wahrnehmung sagt: Es wird mehr gestohlen.

Strasser: Es wird mehr angezeigt.

STANDARD: Dennoch: Wie können Sie mehr Sicherheit vermitteln? Mit mehr Polizisten auf der Straße?

Strasser: Am wichtigsten ist, das Vertrauen in die Exekutive zu stärken. Das ist unsere Hauptdienstleistung.

STANDARD: Wie sicher sind Sie sich, dass Sie im Herbst noch in diesem Büro sitzen?

Strasser: Soll ich umziehen?

STANDARD: Sie sind als EU- Kommissar im Gespräch, auch als Nachfolger für die Außenministerin, sollte sie Kommissarin werden.

Strasser: Noch ist nicht bekannt, welches Land das Dossier Inneres bekommt. Erst dann ist Zeit, darüber nachzudenken. Ich höre immer, dass die Entwicklungshilfe für uns reserviert ist. Und das interessiert mich nicht besonders.

STANDARD: Das Thema Sicherheit auf EU-Ebene interessiert Sie mehr?

Strasser: Da gibt es viel zu tun. Wir wollen einen EU-Polizeikorps, EU-Geheimdienst, ein EU-Asylverfahren, eine EU- Migrationspolitik schaffen. Während der österreichischen Präsidentschaft soll die Korruptionsbekämpfung Schwerpunkt sein.

STANDARD: Was antworten Sie, wenn Sie gefragt werden, ob Sie Kommissar werden wollen?

Strasser: Ich bin auf so eine Frage vorbereitet.

STANDARD: Und Sie brauchen dann ein Wort mit zwei Buchstaben?

Strasser: Das sage ich dann.

STANDARD: Außenminister wollen Sie nicht werden?

Strasser: Für das Außenamt stünde ich nicht zur Verfügung.

STANDARD: Gibt es Sicherheit in einer Politikerlebensplanung?

Strasser: Das ist so, wie wenn ein Slalomläufer damit spekulieren würde, welchen Weltcuprang er nach dem nächsten Rennen einnehmen wird. Da gibt es keine Sicherheit.

STANDARD: Und wo sehen Sie sich in fünf Jahren?

Strasser: Keine Ahnung. Aber mein Lebensziel ist nicht, als Politiker in Pension zu gehen.

STANDARD: Halten Sie die Regierung für eine sichere Sache ?

Strasser: Wir haben ein Programm, das wir bis inklusive 2006 umsetzen wollen, und daran arbeiten wir.

STANDARD: Solche und ähnliche Sätze hat man im Anfang Sommer 2002 auch hören können - die Folgen sind bekannt.

Strasser: Ich gehe doch davon aus, dass die FPÖ aus dem Jammer, in den sie sich selber hineinbegeben hat, etwas gelernt hat. Wenn sie nichts gelernt hat, ist das ihre Sache. Wenn sie wirklich meint, sich zu einer stramm rechts ausgerichteten Partei mit fünf Prozent entwickeln zu wollen, soll es uns auch recht sein.

STANDARD: Und welche Lehren zieht die Volkspartei?

Strasser: Öffentlicher Streit führt zu Vertrauensverlust in die eigene Partei.

STANDARD: Wie sicher ist Ihre Pension?

Strasser: So sicher wie Ihre.

STANDARD: Sicher nicht.

Strasser: Ich habe eine private Pensionsvorsorge. Ich verstehe die Unsicherheit der Menschen, eine private Vorsorge halte ich für gut.

STANDARD: Eine Möglichkeit, die Pensionen zu sichern, ist über gezielte Zuwanderung nachzudenken. Warum passiert das nicht?

Strasser: Das neue Fremdengesetz kennt Zuwanderungsquoten, sie werden nicht ausgefüllt.

STANDARD: Quoten sind keine gezielten Anreize. Muss Österreich nicht perspektivisch zum Einwanderungsland werden?

Strasser: Es wird es werden, wenn wir gesellschaftlich und markttechnisch Zuwanderer verkraften können. Momentan ist es so, dass ausländische Mitbürger maßgeblich das Sozial- und Arbeitslosenbudget belasten.

STANDARD: Lassen Sie manchmal auch los, oder gehen Sie immer auf Nummer sicher?

Strasser: Jeder Mensch braucht eine Grundausstattung an Sicherheit. Aber alles zu reglementieren ist furchtbar. Als ich noch nicht Innenminister war, habe ich die Straßenverkehrsordnung auch viel kreativer ausgelegt.

STANDARD: Gab es in Ihrem Leben einen Moment, wo Sie sich nicht sicher gefühlt haben?

Strasser: Sicher. Wenn ich verliebt war und nicht sicher war, ob es erwidert wird. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.7.2004)