Wien - ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch und Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel sehen im Regierungskonzept für die Harmonisierung der Pensionssysteme noch einige Kritikpunkte. Konkret gehen ihnen die Ersatzzeitenregelungen nicht weit genug, ein Pensionskorridor wird auch für Frauen gefordert. Hauptkritikpunkt sind aber die drohenden Pensionsverluste durch die Reform. Dennoch zeigten sich Verzetnitsch und Tumpel bei einer Pressekonferenz auch zufrieden, dass "viele Punkte" ihrer Vorschläge übernommen worden seien.

Verlustdeckel

Laut Regierungsvorschlag wird der bei der Pensionsreform 2003 eingezogenen Verlustdeckel von zehn auf heuer fünf Prozent reduziert. In Viertelprozent-Schritten steigt dieser dann bis 2024 wieder auf zehn Prozent. Nicht zur Geltung komme der Verlustdeckel aber bei einem vorzeitigen Pensionsantritt, kritisiert die Gewerkschaft. Wenn jemand im Rahmen des Pensionskorridors mit 62 in Pension gehe, kämen drei mal 4,2 Prozent an Abschlägen dazu. Für Schwerarbeiter würden die Verluste bei drei Prozent jährlich liegen.

Verluste bis zu 20 Prozent im "Endausbau"

Im "Endausbau" seien damit Verluste bis zu 20 Prozent möglich, kritisierte Verzetnitsch. Er hätte sich eine "analoge Regelung zum öffentlichen Dienst" gewünscht. Tumpel präzisierte: Dort gebe es für niedrige Pensionen bis ca. 700 Euro nur ein Prozent an Verlusten, erst für höhere Pensionen gebe es auch höhere Verluste.

Ersatzzeiten-Regelungen greifen zu kurz

Zu kurz gegriffen sind für die Arbeitnehmer-Vertreter auch die Ersatzzeiten-Regelungen. Damit sei "Altersarmut" für Menschen mit häufiger Arbeitslosigkeit und für Frauen "vorprogrammiert".

Kritik am Männer-Korridor

Kritik gab es auch am Pensionskorridor zwischen 62 und 68 Jahren. Frauen würden wegen ihres gesetzlich geregelten früheren Pensionsantrittsalters erst 2024 in den Korridor hineinkommen, meinte Verzetnitsch. Tumpel schlug für Frauen einen eigenen Korridor zwischen 57 und 62 vor. Das sei auch nach österreichischem und nach EU-Recht möglich, wies er ein Regierungsargument zurück. "Man muss es nur politisch wollen".

"Nicht nachvollziehbar"

Schließlich ist auch die geplante Schwerarbeiterregelung für Verzetnisch "nicht nachvollziehbar". Die Regierung plane, dass maximal fünf Prozent aller Arbeitnehmer unter diese Regelung fallen dürften. Man müsse Schwerarbeit aber nach Tätigkeitsmerkmalen definieren und könne keine fixen Zahlen vorgeben, wie viele Personen höchstens betroffen sein dürften, so der ÖGB-Chef.

Keine Rede von Streik

Auf Zufriedenheit stieß bei ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch und Arbeiterkammer-Präsident Herbert Tumpel das Grundkonzept der Harmonisierung, wonach man nach 45 Beitragsjahren mit 65 in Pension gehen kann und dabei Anspruch auf 80 Prozent des Durchschnittseinkommens hat. In "langen und zähen Verhandlungen" sei es gelungen, "wesentliche Pflöcke" des ÖGB-Modells einzuschlagen, sagte Verzetnitsch am Montag bei einer Pressekonferenz. Auf Fragen nach möglichen Streiks wollte er erst gar nicht eingehen.

"Fundament aber nicht stabil genug"

Positiv vermerkt wurde von Verzetnitsch auch, dass Beitragsjahre künftig gemäß der Lohnentwicklung aufgewertet werden und die jährliche Pensionsanpassung nach dem Verbraucherpreis-Index erfolgt. In Summe sei das "Fundament aber nicht stabil genug" für eine Zustimmung der Gewerkschaft, sagte der ÖGB-Chef. Er betonte neuerlich, dass das ÖGB-Modell nicht nur fair, sondern auch finanzierbar sei.

Abwarten statt Streiken

Auf Fragen, ob es nach den geplatzten Verhandlungen mit der Regierung nun wie im Vorjahr zu Streiks kommen könnte, ging Verzetnitsch nicht ein. Zunächst müsse man abwarten, wie der konkrete Gesetzestext nun aussehen werde. Erst dann könne man eine Beurteilung vornehmen.

(APA)