STANDARD: Die Reisebranche hat schwarze Jahre hinter sich. Ist die Krise überwunden?

Balluch: Es geht aufwärts. Die Menschen wollen reisen, das ist ein Elementarbedürfnis. Allerdings hat es Verschiebungen gegeben.

STANDARD: Inwiefern?

Balluch: Das für den Urlaub zur Verfügung stehende Budget ist nicht größer geworden in letzter Zeit. Neue Lebensgewohnheiten wie mobiles Telefonieren oder der Run auf PC und Laptop schränkt die Budgets zusätzlich ein.

"Viele neue Spieler am Markt"

STANDARD: Andererseits sind die Reisepreise kräftig gefallen.

Balluch: Viele neue Spieler sind in den Markt gekommen. Die Billigairlines haben neue Kapazitäten aufgebaut, viele Hotels sind dazugekommen, neue Veranstalter auch. Wir haben zur Stunde von allem ein bisschen zu viel. Das drückt die Preise, keine Frage.

STANDARD: Wie geht es mit den Preisen weiter? Wird Reisen in absehbarer Zeit wieder teurer?

Balluch: Das glaube ich nicht. Man muss sich die Frage stellen: Was ist Ursache, was Wirkung? Ich reagiere immer sehr irritiert, wenn ich von Menschen aus der Branche höre, dass wir die Kunden erziehen müssen, sie wieder an höhere Preise gewöhnen sollen. Das ist nichts als Wunschdenken.

STANDARD: Wer an tiefe Preise gewöhnt ist, will nichts anderes mehr haben.

Balluch: Alle miteinander haben wir dazu beigetragen: Überkapazitäten, wohin wir schauen. Die Kunden sind heute in der Lage, aus einem breiten Repertoire Produkte auszusuchen. Das war vor zehn, 15 Jahren nicht so. Wer früher bis Februar seinen Sommerurlaub nicht gebucht hatte, bekam kaum mehr was. Solange es diesen Überfluss an Angebot gibt, wird sich an der derzeitigen Situation in puncto Preise wenig ändern.

STANDARD: Das heurige Jahr ist gespickt mit sportlichen Großereignissen. Die Fußball-EM in Portugal ist vorbei, in einem Monat beginnen die Olympischen Spiele in Athen. Wie stark beeinflussen solche Events die Reiseströme?

Balluch: Eher wenig. Würde so was in einem touristisch kaum erschlossenen Land stattfinden wie Tansania oder Simbabwe, möchte ich nicht ausschließen, dass es einen Nachfragekick gibt. Aber Portugal und Griechenland sind ja voll erschlossen. Viele Gäste waren schon einmal dort. Außerdem: Die Sportstätten befinden sich meist in größeren Städten, und Tourismus spielt sich im Sommer mehr in den Baderegionen ab.

STANDARD: Kann es nicht auch sein, dass die Leute zu Hause bleiben und den Urlaub vor dem Fernseher verbringen, um beispielsweise Olympia voll mitzuerleben?

Balluch: Ich möchte das verneinen, obwohl immer wieder in diese Richtung argumentiert wird. Der Gast ist informiert und weiß, dass es auch in den Zielgebieten TV gibt.

Türkei und Ägypten voll im Trend

STANDARD: Wohin fliegen die Österreicher in diesem Jahr am liebsten?

Balluch: Die Renner im Nahbereich sind heuer die Türkei und Ägypten. Beide haben bei uns mehr als 100 Prozent Zuwachs. Auch die spanischen Inseln gehen ausgesprochen gut und sind um mehr als 20 Prozent stärker nachgefragt als im vorigen Sommer. Ibiza liegt unter den Erwartungen. Im Fernbereich boomen die Karibik und die Malediven.

STANDARD: Haben Sie bei den Buchungen die Zahlen vor dem 11. September 2001 schon wieder erreicht?

Balluch: Wir sind dicht dran. Neckermann hat in den vergangenen Monaten das Sortiment fast verdreifacht; der österreichische Katalog ist bis auf den Preisteil ident mit dem deutschen. Außerdem haben wir die Preise partiell um bis zu 28 Prozent gesenkt. Ich bin überzeugt, dass wir die Gewinner der Saison sein werden und ein deutliches zweistelliges Plus einfahren.

STANDARD: Was wird aus der Marke Thomas Cook und was planen Sie mit Aldiana?

Balluch: Zuerst kommt Neckermann, dann lange Zeit nichts, dann erst der Klub Aldiana und Thomas Cook. Beide werden wir forcieren. Neckermann bleibt aber unser Kerngeschäft. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.7.2004)