Wien - Große Gefahr, dass eine liberale Handhabung genetischer Verfahren, wie Gentests an Embryos, auch in Europa den gesellschaftlichen Willen zu einer genetischen Elite stärken könnte, sieht Herbert Gottweis nicht. Denn "der Wunsch, immer besser zu sein, ist hier weniger ausgeprägt als in den USA", erklärte der Bioethik-Experte vom Institut für Politwissenschaften der Universität Wien am Rande des Sommercampus der Politischen Akademie.

Freitag diskutierten Politologen und Bioethik-Experten zu Ethik in der Genetik und Gesetz. Die ersten Regulierungen für die Genforschung wurden 1975 bei der Konferenz von Asimolar in Kalifornien formuliert. Trotz Widerstandes einiger Teilnehmer beschloss man damals, mit dieser Forschung nur unter Einhaltung strikter Richtlinien fortzufahren. Sie wurden von den US-Gesundheitsbehörden erlassen und zum Vorbild - unter anderen das österreichische Gentechnikgesetz.

Doch während in den USA sich das gesetzliche Korsett kaum weiterentwickelt hätte, gebe es in Europa klare, "kulturbedingte" Richtlinien, betonte Gottweis. In anderen Kulturen, "wie etwa Japan, wo Buddhismus und Shinto eine andere Definition menschlichen Lebens vorgeben, will man voll in die Biotechnologie einsteigen": Die abendländische Diskussion wann Leben beginnt würde dort nicht geführt. Und in Österreich und Deutschland sei die Gen-Forschung aufgrund der Erfahrung der Eugenik der Nazizeit restriktiv: "Das Streben nach den schönen neuen Menschen ist nicht gesellschaftlicher Konsens."

Das Hauptproblem der Zukunft sahen die Experten eher in der Tatsache, dass sich die Grenzen zwischen Heilung und Veränderung immer mehr verschieben: "Ein designter Eingriff in das Genom, der darauf abzielt, neue Eigenschaften hervor zu bringen, steht im Gegensatz zu therapeutischen Eingriffen um den biologischen Normalzustand wieder herzustellen", hob Kurt Zatloukal vom Institut für Pathologie der Uni Graz hervor: "An dieser Trennlinie liegen die Konflikte." (Eva Stanzl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11. 7. 2004)