Ein eindrucksvolles Beispiel, dass Prinzipien nichts wert sind, wenn es um Geschäfte geht, lieferte der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seiner Moskau-Visite. Nicht nur, dass er den Fall Yukos überhaupt nicht direkt ansprach. Der SPD-Politiker befand sogar, es gebe keine Hinweise, dass nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln vorgegangen werde. Und damit nicht genug: Schröder lobte die Wirtschaftsreformen von Präsident Wladimir Putin über den grünen Klee. Das klang angesichts der international angeprangerten Vorgangsweise im Fall Yukos fast wie Hohn.

Schröder steht mit seiner Meinung zwar im Kreise der Spitzenpolitiker Deutschlands ziemlich alleine da, auch wenn nur die Grünen öffentlich erklären, hier liege ein Verstoß gegen Rechtsstaatlichkeit vor. Aber schließlich war Schröder ja mit einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation im Schlepptau zu seinem Freund Wladimir nach Moskau geeilt, um dort Verträge über Milliardenaufträge zu unterzeichnen. Da sollte nur ja nichts die Freude über gelungene Geschäfte trüben. Dass sogar mitreisende Manager den Umgang mit Yukos kritisierten, wirft ein bezeichnendes Licht auf Schröders Vorgehen. Aber es ist nicht das erste Mal, dass der SPD-Politiker im Ausland gekniffen hat, ein heikles Thema anzuschneiden. Schröder umschifft, auch wenn er in China ist, die Menschenrechtsfragen immer mehr oder weniger elegant. Er reist einmal jährlich mit großen Delegationen nach China, damit deutsche Firmen am dortigen Wachstumsboom teilhaben können.

Kein Wort der Kritik war bisher auch von Schröder über Putins zunehmend autoritären Regierungsstil oder die Ausschaltung kritischer Medien in Russland zu hören. Damit desavouiert Schröder aber auch die Politik der eigenen Regierung, die bisher wegen ihres Engagements in Menschenrechtsfragen und für Demokratie international Reputation genossen hat. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11.7.2004)