Im Gespräch mit Samo Kobenter würdigte Fischer auch nochmals die Arbeit Thomas Klestils.

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Standard: Sie haben heute die Caritas empfangen - vor allen Politikern. Hatte das einen besonderen Grund?

Fischer: Es war nicht nur die Caritas, es war auch Volkshilfe und Diakonie. Das ist gedacht als Symbol dafür, dass in einer sozialen Marktwirtschaft neben dem marktwirtschaftlichem Gedanken der soziale Gedanke nicht zu kurz kommen darf. Soziale Symmetrie ist mir ein wichtiges Anliegen, ich kann das sehr plausibel begründen und ich habe es auch im Wahlkampf versprochen.

Standard: Warum führt Sie Ihr erster Staatsbesuch nach Ungarn? Bisher war es Tradition, dass der erste Staatsbesuch in die Schweiz ging.

Fischer: Das war lange Zeit der Fall, aber schon Bundespräsident Dr. Klestil hat seinen ersten Staatsbesuch in Prag absolviert. Ich habe diese Frage noch mit dem verstorbenen Altbundespräsidenten Dr. Klestil, aber auch mit der Frau Außenministerin diskutiert und wir haben gemeint, es wäre eine wichtige Geste, ein Nachbarland zu besuchen, das neu zur EU gekommen ist. Wir werden aber auch gleich danach in die Slowakei reisen, auch die Tschechische Republik ist geplant. Was die Schweiz betrifft, werde ich mit dem Schweizer Bundespräsidenten Ende Juli in Salzburg zusammen treffen. Außerdem ergibt sich auch beim Begräbnis meines Vorgängers die Gelegenheit, mit dem einen oder anderen Staatspräsidenten zusammen zu treffen.

Standard: Wer wird bei diesem Begräbnis erwartet?

Fischer: Es ist eine sehr umfangreiche Liste und ein Beweis, wie groß das Ansehen unseres Bundespräsidenten in vielen Ländern der Welt war. Der russische Präsident Putin hat mich gestern angerufen und gesagt, er wird sich bemühen zu kommen. Das wird auf diplomatischer Ebene inzwischen als Zusage gewertet, und ich halte das für sehr nützlich im Interesse beider Länder, dass man gleich von Anfang an gute Fäden knüpfen kann. Es sind die Staatspräsidenten von fast allen Nachbarländern angesagt. Es kommt auch der schwedische König, und es wird für meine Frau eine Ehre sein ihn am Flughafen abzuholen und in seiner Muttersprache zu begrüßen.

Standard: Nationalratspräsident Andreas Khol hat Ihnen im Reichsratssaal einen Pflichtenkatalog mitgegeben, werden Sie ihn beherzigen?

Fischer: Es gibt im Reichsratssaal interessante Reden, aber es gibt keinen Pflichtenkatalog für den Bundespräsidenten.

Standard: Khol hat aber auch indirekt mit einer Änderung der Befugnisse des Bundespräsidenten gedroht. Was halten Sie davon?

Fischer: Es kann keine Drohungen geben, weil dafür eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament notwendig wäre. Es wird keine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament geben, ohne dass die beiden größten Parteien des Landes Übereinstimmung erzielen, und daher wird es keine Änderung geben, die nicht absolut sachlich, vernünftig und auch mit mir abgesprochen ist.

Standard: Wie haben Sie die Rede Khols empfunden?

Fischer: Ich kenne Andreas Khol schon lange und wir respektieren einander. Ich würde sagen, die Rede von Khol war eben eine Khol-Rede.

Standard: Altbundeskanzler Vranitzky hat Khol auch Regierungspropaganda vorgeworfen. Teilen Sie diese Ansicht?

Fischer: Es hat Beobachter gegeben, die der Meinung waren, dass in der Würdigung eines verstorbenen Bundespräsidenten weniger Bezugnahme auf einzelne Regierungsentscheidungen die Qualität der Rede nicht verringert hätte. Ich selbst möchte mich dazu nicht äußern, stelle aber klar, dass ich die Veranstaltungen im Parlament als sehr würdig empfunden habe.

Standard: Ihr Vorgänger wollte ein aktiver Bundespräsident sein. Haben Sie das auch vor?

Fischer: Ich verwende nicht das Gegensatzpaar aktiv und passiv. Mein Kriterium ist ein guter Bundespräsident zu sein, der einerseits alle seinen verfassungsmäßigen Aufgaben erfüllt, bei dem aber auch die Chemie mit der Bevölkerung und den politischen Entscheidungsträgern stimmt.

Standard: Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Fischer: Erstens werde ich mich um die Stabilität des politischen Systems und das gute Zusammenwirken der Institutionen bemühen. Zweitens soll Fairness in der Politik einen größeren Stellenwert bekommen. Drittens möchte ich darauf hin wirken, dass bewusst wird, wie wichtig soziale Symmetrie in einer Gesellschaft ist. Viertens möchte ich die internationalen Kontakte weiter festigen und fünftens muss man den Stellenwert der Kultur und Wissenschaft aus der Hofburg heraus stärken.

Standard: Sehen Sie tagespolitische Themen, zu denen Sie sich ausführlich zu Wort melden wollen?

Fischer: Ich wäre sehr glücklich, wenn es möglich wäre, in der Frage der Pensionsharmonisierung weitere sachliche Gespräche zu führen und eine gute Lösung herbeizuführen. Ich wäre sehr glücklich, wenn es im Verfassungskonvent Fortschritte gibt und dass diese Arbeit ihre Dynamik behält. Ich wäre froh, wenn es bei der Landesverteidigung gelänge, zu einer grundsätzlichen Lösung kommt.

Standard: Sie haben angekündigt, die Hofburg zu öffnen. Wie?

Fischer: Wir werden um den Nationalfeiertag einen Tag der offenen Tür veranstalten und in den nächsten Wochen das Projekt der digitalen Hofburg forcieren, das heißt die elektronische Kommunikation forcieren. Und drittens wird der Bundespräsident im Sinn einer umfassenden Transparenz locker und zwanglos im Umgang mit den Medien sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.7.2004)