Nachdem Thomas Klestil immer wieder Probleme mit der Lunge hatte, wurde zunächst angenommen, dass sein Zusammenbruch am Montagmorgen durch Sauerstoffmangel und anschließendes Herzversagen ausgelöst worden sei. Mehrere Beobachter halten diese Theorie mittlerweile für eher unwahrscheinlich. Schließlich würde sich ein Versagen der Lunge längerfristig etwa durch Kurzatmigkeit ankündigen. Doch Klestil war unmittelbar vor seinem Zusammenbruch aus dem ersten Stock seiner Villa ins Erdgeschoss gegangen. Bei sich anbahnendem Sauerstoffmangel wäre ihm das kaum noch möglich gewesen, mutmaßen Mediziner.

Allerdings war Klestil bereits seit einiger Zeit wegen einer Herzbeutelentzündung und Vorhofflimmern behandelt worden. Probleme in diesem Bereich könnten Nebenwirkungen der jahrelangen Dämpfung des Immunsystems gewesen sein. Diese drastische Maßnahme war seit 1996 notwendig, als Klestil an einer "atypischen Lungenentzündung" erkrankte. Sein Immunsystem verlernte damals, richtig zwischen gefährlichen Krankheitserregern und körpereigenem Gewebe zu unterscheiden, daher versuchten Mediziner mit wechselnden Medikamentencocktails diese fehlgeleitete Abwehrreaktion zu dämpfen. Was eine schwierige Gratwanderung ist, schließlich soll die Körperabwehr einerseits so weit geschwächt werden, dass sie den Körper nicht mehr schädigt. Andererseits muss das Immunsystem stark genug bleiben, um den Körper gegen die alltäglichen Attacken etwa durch Viren zu schützen.

Doch der Zusammenhang von Immunsuppression und Herzschädigung ist bloße Spekulationen. Schließlich sei auch ein "ganz normaler Herzinfarkt" bei einem 71-Jährigen nie auszuschließen, so ein AKH-Mediziner. Als der Präsident ins AKH eingeliefert wurde, da hatte sein Herz offenbar schon zu lange still gestanden, sein Körper schon zu lange nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt worden.

Die Folgen dieser Unterversorgung waren es schließlich, mit denen Klestil und die behandelnden Ärzte nicht mehr fertig wurden: Nach und nach versagten immer mehr Organe. Nieren und Leber sind in solchen Fällen meist als erstes betroffen. Zwar kann die Funktion einzelner Organe mit Methoden der modernen Intensivmedizin künstlich aufrechterhalten werden. Doch gegen das sich Dienstagnachmittag anbahnende "gesamte Organversagen" (Ärzteteam-Leiter Christoph Zielinski) war man chancenlos. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8.7.2004)