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Heute vor 50 Jahren, am 5. Juli 1954, versuchte ein 19-jähriger Lastwagenfahrer in den Sun Studios in Memphis einige Lieder aufzunehmen und erfand dabei nicht weniger als den Rock 'n' Roll. Eine Erinnerung an die Verdienste von Elvis Aaron Presley.

Wien - Man muss diese Wahrheit genauso gelassen-großkotzig aussprechen, wie es dem Thema gebührt. Immerhin muss es hier immer auch darum gehen, maßlos zu sein und zu übertreiben. Von wegen der goldenen Regeln des Genres: 1. Sag, dass du da bist! 2. Sag es laut! 3. Wiederhole diesen Vorgang, so lange, bis man dir glaubt!

Die Geschichte ist tausendfach erzählt, aber es hilft ja nichts, also: Heute vor genau 50 Jahren wurde nicht nur die Geschichte der Musik entscheidend beeinflusst. Irgendwann am späten Abend des 5. Juli 1954 begab es sich in den Sun Studios zu Memphis, Tennessee, dass ein 19-jähriger Lastwagenfahrer namens Elvis Aaron Presley die ganze Weltgeschichte veränderte, indem er den Rock 'n' Roll erfand.

Der schüchterne junge Mann war bereits ein knappes Jahr davor in Sam Phillips Aufnahmestudio gewesen, um ein Geburtstagsständchen für seine Mutter aufzunehmen. Man hatte ihn in die Kartei genommen, falls man in Zukunft einmal einen Schnulzensänger brauchte.

Bemühter Gesang

Ein Jahr darauf und eine gute Woche vor unserem heutigen historischen Datum war Elvis Presley von Phillips bei alles andere als zufrieden stellenden Ergebnissen also endlich als sängerische Nachwuchskraft ausgetestet worden. Man mochte in seinem etwas bemühten Gesang nichts Besonderes erkennen.

Dennoch erkannte Phillips Presleys unglaubliche Ausstrahlung als möglichen Verkaufsfaktor, und so begann am 5. Juli die als letzter Versuch geplante nächtliche Aufnahmesession wieder recht konventionell. Gemeinsam mit Gitarrist Scotty Moore und Kontrabassist Bill Black mühte sich Elvis durch Harbor Lights, eine typische 50ties-Schnulze und durch die aus der Feder Leon Paynes stammende Country-Ballade I Love You Because.

Phillips war schon längere Zeit auf der Suche nach einem weißen Mann mit schwarzer Stimme. Der damals 31-jährige Produzent, der nicht nur übliche milchgesichtige Hillbilly-Musik in Kleinstauflagen auf den weißen Markt im US-Süden brachte, versuchte auch die Musik afroamerikanischer Künstler, allen voran etwa Howlin' Wolf und B. B. King, an die weiße Teenager-Jugend zu bringen.

Der Teenie-Markt

Deren unerschöpfliches Marktpotenzial wurde damals gerade erst erkannt - und sehr wahrscheinlich auch der Fakt, dass man den Teenie-Markt nicht mit braver Country-Musik würde knacken können, sondern mit etwas viel Wilderem, Unerhörterem, Dunklerem, Gefährlicherem: mit etwas, das nach Freiheit ebenso klang wie nach Sex.

Als die Session also nach Stunden unergiebigen Herumprobierens wieder ein Misserfolg zu werden schien, begann Elvis, um die Aufmerksamkeit des gelangweilten Phillips zu gewinnen, an der Gitarre herumzublödeln. Gitarrist und Bassist stimmten belustigt ein.

Und als Phillips dann aufgeschreckt von diesem für weiße Musiker völlig neuen Sound der Verheißung die legendäre Frage ,,Was macht ihr da?!" stellte und das Trio zu Recht mit "Keine Ahnung!" antwortete, und also Sam Phillips die legendären Worte ,,Na gut, dann noch einmal von vorn und zwar genau so!" sprach - genau in diesem Moment liegt letztlich die Genese des Rock 'n' Roll.

That's All Right, Mama, ein Song der lokalen Blues-Größe Arthur ,,Big Boy" Crudup: Auf diese aus einer Blödelei heraus entstandene atemberaubende und auf ein mögliches Mehr im Leben verweisende, weil zügellose Blaupause für alles, was danach kam, weil nichts mehr war wie zuvor, lässt sich noch heute alles zurückführen.

Eine von Elvis beherzt gestrampfte Rhythmusgitarre, die verhallte, minimale Leadgitarre von Scotty Moore, der wild gerissene Bass von Bill Black, der gellende und tausend Ausschweifungen versprechende Gesang des Elvis Presley, sie brachten die Welt in einen anderen Takt. Die Geschichte ist tausendmal erzählt - und wie es weiterging, ist ebenfalls bekannt.

Übrigens, danke auch nochmal recht schön für die sexuelle Revolution! Wer sich also heute, an diesem Montag, dem 5. Juli, nicht an den Ursprung zurückerinnern mag, der muss sich eine Frage stellen lassen: Wohnst du noch, oder lebst du schon?! Oder hörst du bloß Bon Jovi?

Wir werden noch eine ganze Weile mit Elvis und den Folgen leben wollen. (DER STANDARD, Printausgabe vom 5.7.2004)