"Tremontis Rücktritt ist der Anfang vom Ende", "Schämt euch, Christdemokraten, das werdet ihr büßen!", "Tremonti ist ein Opfer der süditalienischen Klientel von Alleanza Nazionale!" Auf der Webseite von Forza Italia macht das frustrierte Parteivolk seiner Empörung über die Abschiebung von Finanzminister Giulio Tremonti Luft.

Kein Zweifel: Tremontis Abgang verschiebt das Gleichgewicht im italienischen Rechtsbündnis: Die Nationale Allianz und die Christdemokraten stärken ihre Position, Forza Italia und die Lega Nord verlieren an Einfluss. Mit seinem Ausscheiden entledigt sich die Nationale Allianz ihres größten Widersachers und beraubt die Lega ihres mächtigsten Fürsprechers. Doch in der facetten- und intrigenreichen italienischen Politik werden Sieger häufig unversehens zu Besiegten. Die sichtliche Genugtuung des Vizepremiers über seinen Erfolg könnte rasch in Missstimmung umschlagen.

Es ist gut möglich, dass der Parteichef der Nationalen Allianz gegen Tremonti einen Pyrrhussieg errungen hat. Nach seinem rüden Ultimatum ist auf jeden Fall das Vertrauensverhältnis zu Regierungschef Silvio Berlusconi nachhaltig beschädigt worden.

Unter Hinweis auf Tremontis Opfer könnte der Premierminister alle weiteren Forderungen der Nationalen Allianz abblocken. Mit EU-Kommissar Mario Monti als neuem Finanzminister würde Fini ein noch mächtigerer, gegen jede Art von parteipolitischer Intervention allergischer Gegner erwachsen.

Viele Italiener haben Tremontis Hinrichtung zwei Tage vor dem Ecofin-Treffen in Brüssel als einen Akt politischer Verantwortungslosigkeit empfunden. Die Lega Nord fühlt sich provoziert. Vor diesem Hintergrund könnte sich Finis Hoffnung, sich auf Kosten des angeschlagenen Premiers zu profilieren, als kurzsichtige Kalkulation erweisen.

Denn Tremontis Rausschmiss beseitigt keines der Grundübel, an denen die italienische Regierungskoalition leidet. Die täglichen Intrigen und Rivalitäten bleiben ebenso bestehen wie die Ineffizienz und die tief greifenden Meinungsverschiedenheiten in grundsätzlichen politischen und wirtschaftlichen Fragen. Eine Regierung, die 19-mal die Vertrauensfrage stellen muss, obwohl sie über die deutlichste Mehrheit der Nachkriegszeit verfügt, wird auch ein starker Vizepremier wohl kaum aus dem Stimmungstief führen.

(DER STANDARD, Printausgabe, 5.7.2004)