Verfolgte Nudisten
Der Aufstieg der FKK, die sich damals noch weniger verschämt "Nacktkultur" nannte, wurde 1933 abrupt unterbrochen. Die sich als Vollstrecker klerikaler Moralgebote verstehende Regierung hatte nach Ausschaltung des Parlaments eine Notverordnung "zum Schutze der Sittlichkeit und Volksgesundheit" erlassen. Politisch orientierte FKK-Vereine wurden aufgelöst, Geselligkeitsvereinen wurde das Nacktbaden untersagt und "wilde" Nudisten wurden verfolgt.
Hunderte von diesen waren, wie ein anderer Zeitzeuge berichtet, Arbeitslose, die mit Frau und Kindern per Fahrrad oder zu Fuß in die Lobau kamen, nicht selten auch den ganzen Sommer über dort blieben. Es kamen Sozialdemokraten und Kommunisten, auch Nazis (die allerdings das Ufer gegenüber Greifenstein bevorzugten), und auch Leute, die nur einfach auf das lästige Badekleid verzichten wollten. "Aber nicht nur die Nacktheit war ihnen gemeinsam (. . .) auch das eiserne Zusammenhalten gegenüber den Hütern der Obrigkeit, die beritten oder zu Fuß Jagd auf die illegalen ,Nackerten' machten. Höherenorts betrachtete man die Hir-scheninsel als einen Ort abgründiger Verschwörung, und es wurde alles Menschenmögliche getan, um den Arbeitslosen dortselbst den Aufenthalt zu verleiden . . ."
So etwa, als der illegale KPÖ-Pressedienst über ein Verbot des Aufschlagens von Zelten im Überschwemmungsgebiet berichtete: "Sind die österreichischen Bourgeois, die die heißen Tage in luxuriösen Badeorten verbringen, den arbeitslosen Proleten ihre Gratisriviera in der Lobau etwa neidig? Das wohl nicht. Wir leben ja in einem sozialen Ständestaat, wo eben jedem ein standesgemäßes Vergnügen zukommt. Aber wo mal viele Proleten zusammenströmen, da wird halt weniger vom Ständegedanken als von der Diktatur des Proletariats gesprochen . . ."
In den bornierten Vorstellungen des austrofaschistischen Polizeistaates war offenbar von vornherein klar: Wer nackt badet, deklariert sich als Staatsfeind. Das machte viele FKK-Freunde auch vorsichtig. So berichtet Maria Bayza, eine junge Erzieherin bei der Gemeinde Wien, die im "Arbeitskreis Sozialistischer Lehrer" die Sommertage in der Lobau verbrachte. "Wir waren eine ganze Clique. Premiere war jeweils der Nachmittag des Ersten Mai. Nach dem Aufmarsch musste gebadet werden, auch wenn es sehr kalt war. Wir haben mit Diskus, Kugel, Springschnur nackt gespielt, sind um die Insel gelaufen . . ."