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Ein Monster, ein so genanntes Oger, so unappetitlich, dass bei seinen Ausdünstungen die Pflanzen verwelken. So ölig, dass man mit seinem Ohrenschmalz Kerzenfabriken ausstatten könnte: Solch ein Monster wird gottlob nie geboren, man kann es aber, und das ist gut so, erfinden: Shrek! , ein Kinderbuch des legendären US-Autors und Cartoonisten William Steig, 1990 erstmals veröffentlicht, präsentierte eine solche Kreatur, "faul und furchtlos", bestenfalls schockiert beim Anblick ihres eigenen Spiegelbilds.

Kurz: Wir haben es hier mit einem echten Helden für kindliche Freude am Besonderen zu tun. Einem, der sich letztlich sogar als wunderbar ekelhaft und rücksichtslos akzeptiert – und als Draufgabe auch noch eine Prinzessin, ekelhaft und rücksichtslos wie er, heiratet. "Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie auf horrible Weise noch heute."

Punkt. So weit das Märchen, so weit die Literatur. Kino ist ein bisschen anders, oft auch ein bisschen zahmer. Im Kino verbirgt sich hinter Shreks rauer Monsterschale ein weicher Kern, ja eigentlich ein idealer, durchaus konservativer, wenn auch etwas exzentrischer Ehemann. Aber wenn man den DreamWorks-Film Shrek (ohne Rufzeichen im Titel) und jetzt das Sequel Shrek 2 anschaut, dann ist ein Leben mit Shrek immer noch wilder als Disneyworld. Seither gibt es den grünen Oger auch als Puppe und Computerspiel. Und wenn demnächst die Produktion von Shrek 3 beginnt, dann wird er wohl einer der populärsten Serienhelden aller Zeiten. Dem König der Löwen hat er jetzt schon die Spitzenreiterposition in den ewigen Animationscharts abgelaufen.

Sprechen wir also im Jargon der Produzenten, Trickzeichner und Computerprogrammierer: 70 Millionen Dollar wurden (inklusive einer Spitzengage für Shrek-Sprecher Mike Myers) investiert. 450 Techniker haben zwei Jahre lang an Shrek 2 gearbeitet. 113.000 Standbilder wurden digital gezeichnet. Insgesamt wurde etwa das Mienenspiel des Monsters entscheidend erweitert. Mittlerweile verfügt er im Gesicht über 218 Muskeln. Optimisten denken, dass der Film weltweit über 900 Millionen Dollar einspielen könnte, und da ist die Videoverwertung noch gar nicht eingerechnet.

Ein Märchen, oder? Das Monster wird zum Goldesel. Wenn es nicht wahr wäre, man müsste das erst erfinden. Und vielleicht lesen jetzt endlich auch Kinder im deutschen Sprachraum die wunderbaren Bücher von William Steig: Rotten Island ("Die verwahrloste Insel") könnte man zum Beispiel auch einmal als Übersetzung vorlegen. Im Vorjahr ist der exzentrische Dichter, der – typisch für die angloamerikanische Tradition – immer der Meinung war, dass man den Kids ruhig einige Boshaftigkeiten zumuten kann, 95-jährig gestorben. (DER STANDARD, Printausgabe, 1.7.2004)