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Wien - Die Bemühungen um die Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz sind in den vergangenen Jahren vor allem von den Grünen vorangetrieben worden. Bisher haben diese Deserteure der Wehrmacht aber keine ausreichend starke Lobby, bedauert die Historikerin und Politikwissenschafterin Maria Fritsche, die im Böhlau-Verlag unter dem Titel "Entziehungen" eine Studie zu dieser Problematik vorgelegt hat. Fritsche spannt dabei einen breiten Bogen, von den Motiven der Desertion über die Umsetzung und Fluchthelfer bis hin zur unerbittlichen Verfolgung durch die Militärgerichtsbarkeit und die ausbleibende Rehabilitierung nach dem 1945.

Fritsche hatte bereits ihre Diplomarbeit den Deserteuren gewidmet. Und sie war Mitglied der vom Wissenschaftsministerium geförderten Projektgruppe "Österreichische Opfer der nationalsozialistischen Militärgerichtsbarkeit". Dieses Forschungsprojekt unter der Leitung von Walter Manoschek ging zurück auf eine Entschließung des Nationalrates vom Juli 1999. Damals ersuchte der Nationalrat die Regierung, "ehestmöglich die historische Aufarbeitung der Verurteilungen von Österreichern durch die nationalsozialistische Militärgerichtsbarkeit zu veranlassen".

Interviews

Die Autorin kommt in ihrer Studie, für die sie neben Akten von Militärgerichten auch selbst geführte Interviews mit Betroffenen herangezogen hat, zum Schluss, dass es den "typischen Deserteur" nicht gegeben hat. Österreichische Soldaten hätten sich aus den unterschiedlichsten Gründen dem Dienst in der Wehrmacht entzogen. Sehr wohl ließen sich aber bei den Abläufen der Desertion Muster erkennen. Eine entscheidende Rolle für das Überleben der Fahnenflüchtigen hat das soziale Umfeld gespielt. Wer sich ohne Hilfe durchschlagen musste, hatte kaum Chancen auf ein Durchkommen.

Wer überlebte, hatte nach 1945 aber nicht nur mit den physischen und psychischen Folgen der Verfolgung zu kämpfen, sondern auch mit Anfeindungen und Diskriminierungen. "Das Unrecht, das die Deserteure und Selbstverstümmler in der NS-Zeit erlitten hatten, fand in der Nachkriegszeit seine Fortsetzung. Deserteure galten als 'Verräter', als 'Feiglinge', als 'Kameradenschweine', und kaum jemand stellte die Rechtmäßigkeit der Urteile der Wehrmachtgerichte in Frage."

Debatte hält an

Die Frage der Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz beschäftigt derzeit übrigens den Nationalrat, wobei freilich kein Ende absehbar ist. Erst am 18. Mai hat der Justizausschuss des Nationalrates einen entsprechenden Antrag der Grünen vertagt. Man nähere sich in kleinen Schritten einer Lösung, begründete Ausschuss-Vorsitzende Maria Theresia Fekter (V). Empört über die neuerliche Verzögerung waren SPÖ und Grüne. (APA)