"Herr Wichmann von der CDU"

Foto: Filmcasino
Hemdsärmelig für die Passanten, in T-Shirt und Jeans für die Jugend und mit Anzug und Krawatte für den Auftritt mit der Parteichefin: Herr Wichmann passt sich an. Der 25-jährige Lokalpolitiker und Jusstudent will "frischen Wind" in die Politik bringen. Er kandidiert für einen Sitz im deutschen Bundestag. Dafür braucht er Direktstimmen.

In Fußgängerzonen, an Straßenrändern, auf Stadtfesten baut er deshalb im Sommer 2002 in seinem Wahlkreis, der Uckermark, unermüdlich seinen CDU-Sonnenschirm, seinen Plakatständer und seinen Stehtisch auf, verteilt Kugelschreiber und Broschüren – "damit Sie wissen, wer ich bin" – und trachtet danach, mit dem potenziellen Wahlvolk ins Gespräch zu kommen.

Andreas Dresen (Halbe Treppe) zeigt in seinem Dokumentarfilm Herr Wichmann von der CDU also parteipolitische Basisarbeit. Und er rückt dabei auf beiläufige Weise ins Bild, wie die Vorgaben und Routinen des Stimmenkeilens unter den Bedingungen des zeitgenössischen Marketings die eigentliche politische Arbeit – offensichtlich auch für den Kandidaten – immer schwerer greifbar machen.

Vor allem die älteren Mitbürger scheinen sich für den Wahlkämpfer zu interessieren. Die jüngeren haben mit Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Ihrer Abwanderung durch wirtschaftliche Belebung entgegenzutreten ist Wichmanns erklärtes Programm. In Wahlkampfzeiten bleibt davon allerdings nur ein Stehsatz: Es könne doch nicht sein, dass sich Firmen für eine Ansiedlung interessierten, "und dann kommen die Grünen und sagen, das geht nicht".

Der Film verzichtet auf Off-Kommentar oder Interviews, rückt seinen Protagonisten auch akustisch ins Zentrum: Ein Ansteckmikrofon übermittelt Wichmanns mit der Zeit leer laufendes Reden – und manchmal auch sein beredtes Schweigen. (DER STANDARD, Printausgabe, Beilage Sommerkino 2004, 1.7.2004)