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Foto: AP/20th Century Fox
Hamburg/Washington - Den ersten katastrophalen Gefrierschock erlitt die Erde vor 65 Millionen Jahren: Nach einem Meteoritentreffer kam es zur Abkühlung des Urozeans Tethys, starben die Dinos aus.

Beweise dafür hätten laut Geology internationale Forscher anhand von fossilen Meereslebewesen vorgelegt, die nur in eisigem Wasser vorkämen und zu besagter Zeit im heutigen Tunesien abgelagert wurden. Der Einschlag habe enorm viel Sulfat-Partikel in die Atmosphäre geschleudert, welche die Sonnenstrahlung blockierten. Abkühlung.

Das Risiko eines erneuten Temperatursturzes durch Meteoritentreffer gilt zwar als relativ gering, aber wie sieht es mit anderen Ursachen aus? Im Film The Day After Tomorrow geht das zum Beispiel so: Die anhaltende Klimaerwärmung lässt die Gletscher der Pole schwinden. Schmelzwasserfluten in den Atlantik stoppen den Golfstrom, jene warme Ozeanströmung aus dem Süden, die dem Norden mildes Klima beschert. Eiszeit.

Solche Katastrophen ereigneten sich in der Vergangenheit tatsächlich, laut aktuellen US-Studien ergossen sich gigantische Schmelzwasserfluten gleich mehrfach in den Atlantik. Warum also nicht wieder? Denn wie heute waren die Gletscher auch Ende der Eiszeit vor 19.000 Jahren auf dem Rückzug, ihr Schmelzwasser erhöhte den Meeresspiegel.

Geologen der Oregon State Uni entdeckten vor Irlands Küsten einen tiefen Kanal, von Schmelzwasserflüssen ins Sediment geschürft, schreiben sie in Science. Der Meeresspiegel sei in dieser Zeit um mehrere Zentimeter im Jahr angestiegen. Wie im Kinofilm, nur nicht so schnell, schwächte Süßwasser die atlantischen Meeresströme und schickte die Temperaturen in Europa erneut in den Keller. Das belegten Analysen von Einzellern, die damals am Meeresgrund abgelagert wurden.

Tauwetter in Antarktis

Die umgelenkten Meeresströmungen erwärmten dafür südliche Regionen, führten zu Tauwetter in der Antarktis: Die schwindenden Eisflächen reflektierten weniger Sonnenlicht ins All, die Erwärmung beschleunigte sich. Der Meeresspiegel stieg weiter, er stehe heute um etwa 130 Meter höher als vor 19.000 Jahren.

Schmelzwasser brachte das Klima immer wieder an den Rand einer Eiszeit. Der Hamburger Geologe Hartmut Heinrich identifizierte 1988 mehrere Lagen Gesteinsschutt in den Sedimenten des Nordatlantiks als Reste von getauten Eisbergen. Diese "Heinrich-Ereignisse" belegen massive Gletscherschmelzen.

Geologen vom Forschungsinstitut Woods Hole zeigten, dass das letzte "Heinrich-Ereignis" vor 17.500 Jahren die Zirkulation im Atlantik wieder zu unterbrechen begann. Das belegten Organismen im Meeressediment, die Indikatoren für Strömungen seien, schreiben sie in Nature. Vor 11.000 Jahren war dann wieder Eiszeit. Und wieder wegen des Abtauens. Floss Schmelzwasser amerikanischer Gletscher zuvor über das Mississippi-Tal in den Golf von Mexiko ab, wo es kaum Einfluss auf die Zirkulation hatte, ergoss es sich nun in den Nordatlantik. Denn das Eis, das bisher den Weg nach Norden versperrt hatte, war geschmolzen.

Ähnliches könnte sich wiederholen. Forscher vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven prophezeien das Schmelzen des Grönland-Eisschildes. Schon in den nächsten 100 Jahren könnte die Temperatur um entscheidende drei Grad ansteigen. Neben Folgen für die Meereszirkulation würde der Meeresspiegel um sieben Meter steigen.

Forscher der Victoria University in Kanada widersprechen: Kein Klimamodell sage einen Kollaps des Golfstroms in diesem Jahrhundert voraus. Und selbst wenn sich der Golfstrom doch abschwächen sollte, prognostizierten die Modelle keine Abkühlung für Europa - wegen der zunehmenden Erwärmung durch Treibhausgase. (boja, fei/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27. 6. 2004)