Zuletzt hatte der Film "Moulin Rouge" mit Nicole Kidman ein wahres Korsagenfieber unter den Modemachern ausgelöst. Jetzt haben Topdesigner wie Dolce & Gabbana oder Valentino ihre neueste Lieblingsversion mit dem Stift aufs Foto gebracht - ohne sich dabei von historischen Bezügen einengen zu lassen: Antonio Berardi etwa entwarf eine zarte hellblaue Korsage, die ihren besonderen Reiz durch ihre Verstrebungen samt Zierrat unterhalb der Taille erfährt - als trüge die Frau einen schillernden Pfauenschwanz: Frauen, meint der Designer, sollten "sich und ihre Formen respektlos in Szene setzen".

Foto: Raphael Yohitami für Madame

Schon in der Antike gehörte das Korsett bei den Damen zur Garderobe, damals noch in Form von Taillen und Hüftbändern aus Bastruten, die zu große Körperfülle verbergen sollten. Vom 13. Jahrhundert an wurde aus dem Unterwäschestück langsam die Schnürbrust aus Leder und dann das einengende Martergerüst aus Holz, Metall oder Fischbein, das die Rundungen der adligen Frau verformte. Manchmal so weit, dass es zu gequetschten Organen oder Ohnmachtsanfällen führte.
Genau das Gegenteil verspricht Valentinos Entwurf für die Korsage tragende Frau von heute: "Leichtigkeit - ich möchte Kleider machen, die Frauen das Gefühl vermitteln, sie hätten nichts am Körper." Seine hauchzarte Rüschenkreation in Rosa umfließt die weiblichen Rundungen, statt sie einzuengen, und erinnert so nur noch ganz von ferne und sehr subtil an den Urtypus: Busen und Taille werden betont.

Foto: Raphael Yohitami für Madame

Ursprünglich sollte das Korsett nur eins signalisieren: Die Frau aus den höheren Ständen musste nicht arbeiten, sondern wartete darauf, ob ihrer Schönheit geheiratet zu werden. So lässt sich denn auch ein Satz der Schneiderin von Marie Antoinette aus dem Jahr 1775 verstehen: "Das Korsett zeigt, dass man kein miserables Leben mehr führen, nicht mehr ackern, spinnen, schrubben und gebückt leben muss." Ganz so bequem lebte es sich mit einem ins Korsett gezwängten Körper zwar nicht, doch die Folge - eine Sanduhrfigur - hielt sich jahrhundertelang als erstrebenswertes weibliches Modeideal. Unbeeindruckt von jeglicher Feminismusdebatte gab es für die klassische Wespentaille sogar noch im 20. Jahrhundert Beistand von amerikanischen Psychologen: Sie fanden heraus, dass die Frau umso begehrenswerter für den Mann erscheint, je schmaler die Taille in Relation zu Hüfte und Busen ist, denn damit signalisiere die Frau, ihrer traditionellen Rolle als Mutter gerecht zu werden.

Foto: Raphael Yohitami für Madame

Alles andere als traditionell waren die Korsagen, mit denen Madonna 1990 auf Tournee ging: Jean Paul Gaultier hatte sie mit Aufsehen erregenden Bustiers ausgestattet, die spitz und bedrohlich wirkten. Jetzt entschied sich Gaultier hingegen für ein klassisch anmutendes Mieder, mit auffälliger Schnürung links und rechts, traditionell im Rücken verstärkt und schlichtem weißem Blütendruck auf giftgrünem Grund. Zu tragen ist es über dem Kleid, meint Gaultier, denn: "Was ist beruhigender in unsicheren Zeiten als eine Frau, die weiblich ist? Auf der anderen Seite kann sich eine Frau heute aussuchen, wie weiblich sie sein möchte, und jeden Tag eine andere Wahl treffen. Das ist die neue selbst erworbene Freiheit der Frauen."

Foto: Raphael Yohitami für Madame

Mieder als sichtbare Oberteile der Garderobe erfand man im Rokoko: Das mit Fischbeinstäbchen verstärkte Korsett wurde mit Oberstoff und nicht mehr unter der Kleidung versteckt, sondern offen darüber getragen - eine kleine Revolution. Schon um 1830 schwappte aber aus Frankreich eine neue Modewelle herüber, die auf jegliche Körperkorrektur verzichtete. Nun trugen Frauen die Mieder ohne Stäbchen, so knapp geschnitten, dass sie oft kurz unter der Brust endeten.
Doch irgendwann landete das Kleidungsstück in der Schmuddelecke und galt in der Lackversion als Utensil der S/M-Szene oder anrüchiger Erotikshops. So lange, bis es die Designer wieder modefähig machten und es auf den Laufstegen zu Jeans oder über Kleidern vorführten.

Foto: Raphael Yohitami für Madame

Vorreiter waren da Dolce & Gabbana: "Das Mieder war schon immer eines der wichtigsten Teile in unseren Kollektionen. Es unterstreicht die weiblichen Formen auf eine besonders sinnliche Art und gibt jedem schlichten Anzug einen Hauch von Glamour." Ihr Entwurf, ein durchsichtiges Hemdchen mit Schnürung zwischen den Brüsten, bestickt mit glitzernden Steinchen, propagiert die Lust der Frau, die eigene Erotik zu inszenieren.
Heute geht es nicht mehr darum, die Pfunde im Zaum zu halten. Mieder schmücken die Frauen, statt sie zu stützen. Anders jedoch bei der Krone der Schöpfung: Das Mieder für den Mann - ja, das gibt's - dient einzig einem Zweck: den Bauch einzufangen. Männer, nehmt euch in Acht! (DERSTANDARD/rondo/Mareike Müller/25/06/04)


Fotos: Die Mieder-Interpretationen für die Zeitschrift "Madame" schmücken statt stützen, Raphael Yoshitami

Foto: Raphael Yohitami für Madame