Wien – "Die orientalischen jüdischen Gemeinden waren nicht Teil des zionistischen Entwurfs, der im Wesentlichen ein europäisch kolonialistischer war. Erst nach der Gründung Israels richtete die israelische Führung ihre Aufmerksamkeit auf die arabischen jüdischen Gemeinden." Und was dann in der Geschichte folgte, lässt Abbas Shiblak, Experte für das irakische Judentum sagen: "Für mich, als Flüchtling und palästinensischer Araber, sind die Erfahrungen der irakischen Juden, und aller arabischen jüdischen Gemeinden, weitgehend die andere Seite meiner eigenen Erfahrung", Verlust, Entwurzelung – und Zurückweisung.

Denn glaubt man den jüdisch-irakischen Teilnehmern an der Konferenz "Remember Baghdad", die von mehreren Organisationen gemeinsam (OIIP, IPP, Renner, Hammer-Purgstall) veranstaltet wurde, so war es keine glückliche Heimkehr ins Gelobte Land. Die Vorgeschichte und die Umstände des Exodus der Juden aus dem Irak, wie sie bei der Konferenz erzählt wurden, unterschieden sich zum Teil beträchtlich vom israelischen Mainstream-Narrativ: Es sei auch oder vor allem ein von der zionistischen Führung betriebener "Transfer" gewesen.

Gewollter Transfer

Dass die Juden ihr Vermögen zurücklassen mussten, was in der gängigen Geschichtsauffassung allein den arabischen Ländern angelastet wird, ist für den Soziologen Yehouda Shenhav so gewollt: um Israel vor palästinensischen Entschädigungsansprüchen zu schützen. Deshalb unterstütze Israel auch keine individuellen Ansprüche irakischer Juden an den Irak: Es sei wichtig, dass das "kollektiv" bleibe.

In Israel selbst erwartete die irakischen Einwanderer eine "ziemlich systematische kulturelle Säuberung", wie Nissim Rejwan, der Bagdad 1951 verließ, bei der Konferenz mit viel Bitterkeit sagte. Der 80- Jährige unterlegte mit Zitaten von David Ben Gurion und Golda Meir, mit welcher kolonialistischen Arroganz von den orientalischen Juden die Integration verlangt wurde.

Der Autor Sami Michael stellte fest, dass das ideologische Diktat der Zionisten eine unparteiische Darstellung des Lebens der Juden im Irak ummöglich gemacht habe. Nun wollen diese Juden ihre Geschichte zurück – ein neues Museum wird angedacht, jenes in Tel Aviv erwähne etwa jene irakischen jüdischen Führer nicht, die sich dem Zionismus widersetzten.

Es herrschte weitgehend Einigkeit auf der Konferenz, dass die Ethnisierung des Begriffes "Jude" in der arabischen Welt erst eine Folge der israelischen Prägung des Gegensatzes von Jude/Araber sei: In Bagdad habe es arabische Muslime, arabische Christen und arabische Juden gegeben. Dass die bittere Geschichte hier, mit dem europäischen Antisemitismus und dem Holocaust begonnen hatte, kam kaum zu Wort: Der österreichische Zuhörer sollte es dennoch nicht vergessen.

Gemeinsame Musik

Die arabische Identität der irakischen Juden wurde zu Anfang und zum Ende der Konferenz zelebriert: War der erste Teil am Sonntag der Erinnerung an die Zeit vor dem Bruch gewidmet, so gab es am zweiten Tag ein "Oud Festival" (arabische Laute), bei dem jüdische und nicht jüdische arabische Musiker verschiedener Generationen gemeinsam musizierten. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 23.6.2004)