Böse Anekdote/Skwernyj Anekdot ist die Filmadaption einer Novelle von Dostojewski. Wo dieser der Willkür der zaristischen Bürokratie einen Spiegel vorhielt, muss das Anliegen der Regisseure Alexandr Alov und Wladimir Naumov, 1965 in der UdSSR, ein anderes gewesen sein: Gedreht nach dem politischen Tauwetter unter Chruschtschow befasst sich ihr Film eigentlich mit einem viel gegenwärtigeren Moment des Übergangs - von der sanften Liberalisierung zurück zur Restriktion.
Wenn also Pralinski nach einem Saufgelage unter Fremden, bei dem er sich neben den Kleinbürgern mit ihren grotesk verzerrten Gesichtern vor allem selbst blamiert, wieder erwacht und sich zu Strenge ermahnt, dann hat er durch seine Deutlichkeit auch das Schicksal des Films besiegelt: Böse Anekdote war für die sowjetische Zensur zu explizit böse und verschwand über 20 Jahre lang im Tresor.
Filme, die in den Keller wandern, müssen bestehen, wenn sie wieder an die Öffentlichkeit kommen, hat der deutsche Dokumentarfilmemacher Thomas Heise einmal gesagt: Das Filmarchiv Austria zeigt noch bis 7. Juli in seiner Retrospektive Verboten - Verbannt - Wiederentdeckt eine Vielzahl von Arbeiten aus sozialistischen Ländern Osteuropas, die nun, nach deren Untergang, einen umfassenderen Überblick über diese nationalen Kinematografien ermöglichen.
Zensur war freilich niemals ein Privileg des Kommunismus, auch im Westen griffen immer wieder Instanzen korrigierend ins Filmschaffen ein. Generell treten in Ländern mit einer verstaatlichten Filmproduktion die Kontrollmechanismen stärker hervor - kompliziert bleiben diese Vorgänge dennoch, das beweist heute noch der Iran. Nicht alle sozialistischen Staaten agierten etwa mit derselben Härte, und zu jeweils unterschiedlichen Phasen wurde auch ein ästhetisch hochmodernes Kino möglich: ein Umstand, der in dem illustren Nebeneinander dieser Reihe etwas unterzugehen droht.
Viele Unterschiede
So finden sich darin mit Zelimir Zilniks Rani Radovi/ Frühe Werke Beispiele der "Schwarzen Welle" in Jugoslawien, tschechoslowakische Filme wie die Milan-Kundera-Verfilmung Zert/Ein Scherz, der im Zuge des Prager Frühlings mehr Freiheit im Umgang mit Geschichte erkennen lässt, oder eben auch Klassiker wie Frank Beyers Spur der Steine - aber zwischen diesen allesamt sehenswerten Filmen sind die Unterschiede, formal wie politisch, durchaus groß.