"To the Forty-Third President": eine Abrechnung mit George W. Bush als Lichtinstallation in Jenny Holzers Ausstellung "Truth before Power" im Kunsthaus Bregenz.

Foto: KUB

Bregenz - Achtung, dieser Kunstgenuss erzeugt Schwindelgefühl und erfolgt auf eigene Gefahr. Man betrachte also die Schriftbänder, mit denen Jenny Holzer den Fußboden der dritten Etage des Kunsthauses ausgelegt hat, vom sicheren Rand aus. Auf 13 aneinander gereihten Bahnen rast ein Feuerwerk von Buchstaben durch die ganze Länge des Raums. Die Schriftzüge blinken, wechseln die Richtung, ein computerchoreografierter Tanz der Leuchtdioden.

Doch die Texte, mit denen da die Sinne der Betrachter attackiert werden, bleiben unleserlich. Zu geschwind werden die Sätze vorne ausgespuckt und hinten wieder verschluckt. Sätze, die, weniger aufgeregt präsentiert, durchaus einen semantischen Zusammenhang böten. Die Informationsflut speist sich aus Geheimdienstakten über die amerikanische Nahostpolitik seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Texte wurden der Öffentlichkeit über den so genannten "Freedom of Information Act" zugänglich gemacht.

Jeder amerikanische Bürger kann solche Dokumente von seiner Regierung anfordern, doch sicherheitsrelevante Passagen werden geschwärzt. Teilweise sind diese Berichte dermaßen zensuriert, dass sich aus den paar Buchstaben zwischen den schwarzen Balken kaum mehr Sinn extrahieren lässt. Die Künstlerin unterzieht nun diese entstellten Informationen einer weiteren Deformation. Die inhaltliche Dürre wird spektakulär aufbereitet, wird dadurch zwar konsumierbar, aber um den Preis der gänzlichen Verständnislosigkeit.

Mit dieser zur Lightshow geronnenen Geheimdienstpropaganda korrespondiert ein aktuelles Poem des US-Dichters Henri Cole, das den Titel trägt: To the Forty-Third President. Darin heißt es unter anderem: "Bis zur Hüfte im Graben, durch Ruinen watend in jenem Grenzzustand, wo sich der Geist verengt, sich auch von Hoffnung nicht erweitern lässt, hör' ich Ihre laute Siegerstimme, und ich glaube fast, dass Liebe zum Vaterland genügt, aus altem Unrecht wieder Recht zu machen . . ."

Inszenierte Texte

In einer weiteren Installation jagt diese klare Abrechnung mit George W. Bush ebenso hektisch und augenbetäubend über die Lichtbänder wie ein KUB-Stockwerk höher die zensierten Regierungsdokumente. Zusätzlich wurde der Text spiralförmig auf zwei mächtige, zehn und 13 Meter lange entrindete Baumstämme gebrannt, von denen der eine in das Foyer des Kunsthauses gehängt, der andere in der Feldkircher Johanniterkirche aufgerichtet wurde.

Jenny Holzer, Jahrgang 1950, ist mit ihren Truisms (Allgemeinplätzen) berühmt geworden. Sie plakatierte und projizierte kurze brutale Sätze, die von Heiner Müller stammen könnten, auf bedeutungsschwangere Örtlichkeiten wie z. B. die Nationalgalerie in Berlin. Aussagen wie "Wo Frauen sterben, bin ich hellwach" oder "Manchmal sind Prinzipien wichtiger wie Menschen". Heute scheint sie nicht mehr zu glauben, mit Worten die Welt verändern zu können. Aber diese Desillusion wird mit derselben Verve artikuliert wie früher die inflammatory essays, die aufrührerischen Reden ihrer Sturm-und-Drang-Zeit. (DER STANDARD, Printausgabe vom 21.6.2004)