Foto: Gianfranco Fainello/Arena di Verona
Aus Anlass des 100. Jahrestags der Uraufführung von "Madame Butterfly" wurde die Arena-Saison in Verona mit der Puccini-Oper eröffnet: Abseits aller Aktualisierung setzt Regisseur Franco Zeffirelli auf profunde Detailarbeit.


Auch im Freilichttheater unter dem italienischen Sternenhimmel ist die Theaternacht künstlich. Ein schillernd reflektierendes Tuch wird auf den Treppen der Arena angestrahlt, wenn es bei Madame Butterfly Nacht wird. In Puccinis Oper um die Japanerin Cio-Cio-San, die so gerne nach Amerika gezogen und dort Lady Pinkerton geworden wäre, wechseln Tag, Nacht, Dämmerung. Die Theaterrealität korrespondiert nicht mit der Veroneser Nacht.

Zum 100. Jahrestag der Uraufführung wurde die 82. Sommersaison der Arena von Verona mit Madame Butterfly eröffnet. Das Drama zwischen dem im Japan stationierten US-Soldaten Pinkerton und der jungen Cio-Cio-San aus dem Vergnügungsviertel von Nagasaki hat Franco Zeffirelli als japanisches Märchen in grünen und korkbraunen Farben auf die Bühne gestellt - ein Garten voller Büsche und Blumen, der immer üppiger wuchert und in dem im Finale Geister tanzen und Butterflys Kind in Empfang nehmen.

Film- und Opernsenior Franco Zeffirelli, in dieser Veroneser Saison noch mit Aida und Troubadour vertreten, ist Hausregisseur der Arena geworden, wobei sich der Puccini-Spezialist noch nie mit Madame Butterfly beschäftigt hatte. Zeffirellis Inszenierung vermeidet peinlich jede Andeutung an aktuelle amerikanische Politik; aber bloß als rückwärts gewandte Opernregie kann man sie nicht abtun. Vor allem gefällt neben konventionellem Fächergewedel die Detailarbeit: Die Kostüme stammen von Emi Wada, die schon für den legendären japanischen Regisseurs Kurosawa arbeitete, und sie bürgen insofern für "Authentizität".

Einem bunten Volksgewimmel, in dem immer wieder Straßenkehrer für Sauberkeit sorgen, stellt Zeffirelli nach der Pause die intimen Szenen gegenüber, wobei der zweite und dritte Akt mit dem Summchor im Intermezzo effektvoll zusammengezogen werden.

Intime, leise Opern scheinen der Arena paradoxerweise entgegenzukommen, da sie die Aufmerksamkeit im Riesenrund schulen und fesseln. Bei Madame Butterfly macht es dabei vor allem großes Vergnügen zuzusehen, mit welcher Inbrunst Daniel Oren das Orchester der Arena führte und sanft, dann wieder leidenschaftlich in Puccinis Emotionen baden ließ.

Die Lieblingsanstrengung des Publikums, Wiederholungen durch Da-capo-Rufe zu ertrotzen, verbietet sich bei Madame Butterfly. Statt äußerlicher Sängerexpressionen imponieren hier die Unangestrengtheit der musikalischen Konversation (gewandt: Marcello Giordani als Pinkerton) und die Art, wie Cio-Cio-San ihr Fühlen in langen Entwicklungsstufen verinnerlicht (von bewundernswerter Präsenz: Fiorenza Cedolins). Souverän auch Juan Pons als amerikanischer Konsul, eindrucksvoll der Auftritt des strengen japanischen Onkels (Carlo Striuli).

Über 50 Vorstellungen werden 2004 in Verona gegeben, wobei sich am 4. August in dem länderübergreifenden Projekt La Corona di Pietra (Die Steinerne Krone) sieben antike Amphitheater des Mittelmeerraums mit Placido Domingo als Hauptakteur in einem Opern-Potpourri in Verona präsentieren werden.

Ansonsten wenig Wagemut: Neben der monumentalen Aida steht die Trilogie des populären Verdi auf dem Programm: Rigoletto , Troubadour und La Traviata . Letztere freilich am 11. Juli in einer Neuinszenierung, die für Aufregung sorgen könnte: Der britische Regisseur Graham Vick will nämlich mit einer neuen Arena-Ästhetik experimentieren und vergleicht dabei den Mythos der Kurtisane Violetta mit dem seiner Landsmännin Diana. Cio-Cio-San jedenfalls hat ihre Geisha-Ehre zumindest heroisch bewahrt. (DER STANDARD, Printausgabe vom 21.6.2004)